Treuepunkte
dafür 1000 Dollar bezahlt? Wie widerlich ist das denn? Jetzt ist mir auch schlagartig klar, warum er wie vom Erdboden verschwunden war, als ich aus dem Badezimmer kam. Ich bin schockiert. »Du hast einfach nur keine Ahnung. Das ist ein Renner in bestimmten Kreisen in Japan«, bleibt Heike ziemlich
cool. Sie habe da mal einen Artikel gelesen. 1000 Dollar für Unterwäsche – used. Gebrauchte Wäsche! Bah! Eklig. Aber ziemlich lukrativ. Ich biete Heike an zu teilen. Schließlich wäre ohne mich das Geschäft nicht zustande gekommen und er hat ja nun auch das Täschchen mitgenommen. Insgeheim bin ich sehr froh, dass er sich versehentlich für Heikes Unterwäsche entschieden hat. Der Gedanke daran, was Shigeru mit der Wäsche treibt, macht mich äußerst verlegen. Im Detail will ich mir das überhaupt nicht vorstellen. Heike willigt ins Halbe-halbe-Geschäft ein, ich fühle mich wie eine Schmuddelagentin und nach der ersten Aufregung freut sie sich. Jetzt hat sie mehr Platz in ihrem Koffer, außerdem war es auch keine besonders feine Wäsche und die Chance, Shigeru je jenseits von Kanada wiederzusehen, ist nun auch eher gering. Heike ist einfach eine praktische Frau. Man kann von ihr lernen.
Soweit die wichtigsten Vorkommnisse unserer kleinen Hochzeitsreise ohne Bräutigam.
Ich beschließe, heute mal richtig fleißig zu sein, und in drei Stunden habe ich das Haus wieder in einem einigermaßen vorzeigbaren Zustand. Ich hätte noch mehr geschafft, wenn nicht zwischendrin meine Schwiegermutter aufgekreuzt wäre. Ein spontaner Besuch, gerade als ich am Feucht-Durchwischen bin. Eine Tätigkeit, die ich gerne mal unterbreche.
»Hör mal, Herzschen, mir mache uns immer noch Gedanke wesche dieser merkwürdigen Beingeschichte. Was is en eischentlich los?«, bestürmt sie mich direkt mit Fragen. An sich hätte ich Lust, ihr die ganze vertrackte
Misere zu beichten – von Anfang an, auch um mich zu erleichtern. Man fühlt sich oft schon besser, wenn man mal alles loswerden kann. Ähnlich wie nach einem Abend mit zu viel Alkohol. Sich einmal zu übergeben ist unangenehm, aber das Gefühl danach macht einiges wett.
Aber Inge ist der Typ Frau, der sich so richtig – mit Haut und Haar – Sorgen macht. Und das will ich nicht. Dazu habe ich sie zu lieb. Der Gedanke, dass sich das mit Christoph weiter so schlecht entwickeln könnte und wir uns eventuell, im schlimmsten aller Fälle, vielleicht wirklich trennen, würde ihr das Herz brechen. Und mir gleich mit. Meine Schwiegereltern sind wundervoll. Um mich herum höre ich immerzu Klagen über nervige Schwiegermütter. Ich bin von Anfang an sehr zufrieden mit meiner. Sie ist – so pathetisch das auch klingen mag – ein guter Mensch. Einem guten Menschen bewusst weh zu tun, gehört sich nicht. Also lasse ich es und handle somit absolut uneigennützig, was mir wiederum ein gutes Gefühl verschafft. Ich beruhige sie und rede nur von einem großen, sehr großen Missverständnis und betone immerzu, wie gesund und munter die Kinder sind. Inge guckt skeptisch und man sieht ihr an, dass sie mir nicht wirklich glaubt. Aber sie ist keine Schwiegermutter, die dann weiterbohrt. Dazu ist sie zu höflich. Sie rollt ein ganz kleines bisschen mit den Augen, seufzt demonstrativ und sagt: »Gut, Andrea, wenn du es sachst, will ich es ma glaube. Abä sollte was sein, kannst du immä mit mir drüber spreche.«
Nach einer langen Dreiviertelstunde macht sie sich wieder auf den Weg. Ich frage sie noch, ob sie morgen (an meinem ersten Arbeitstag – hurra!) die Kinder abholen kann, und Inge willigt freudig ein, so als hätte ich ihr
gerade einen Lottogewinn überreicht. Von meinem Job sage ich noch nichts. So gesprächig wie Inge ist, glaube ich kaum, dass sie es verstehen könnte, wenn ich ihr sagte, dass ich ihrem Sohn davon noch nichts erzählt habe. Sie fragt auch nicht weiter nach, warum ich jemanden für die Kinder brauche – dazu freut sie sich zu sehr. Ihr ist jeder Anlass recht. Sie würde die Kinder auch für Monate nehmen. Sollte ich mich also je dafür entscheiden, die Sahara zu durchqueren oder eine Polarstation zu übernehmen, die Kinderbetreuung wäre gesichert. Inge und Rudi finden sogar, dass sie viel zu selten auf die beiden aufpassen dürfen. Man höre und staune: dürfen! Herrlich, oder? Trotzdem haben Christoph und ich gemeinsam beschlossen, diese Bereitwilligkeit nicht überzustrapazieren.
Ich bringe Inge noch zur Tür und kaum ist sie draußen, nimmt das Unheil seinen
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