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Treuepunkte

Treuepunkte

Titel: Treuepunkte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Fröhlich
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ein.
     
    Ich rufe an. »Kann ich bitte meinen Mann sprechen. Schnidt hier, Andrea Schnidt«, sage ich und hoffe, dass er zufällig vielleicht wirklich bei Gericht ist. Pech gehabt. Er ist da. »Ja, hallo«, sagt er zur Begrüßung. Eine Stimme frei von jeglicher Emotion. Er klingt so, als sei ich ein x-beliebiger Mandant. Nicht kühl, aber extrem sachlich. Nüchtern. Erschreckend. Schnippisch oder wütend wären immerhin Regungen – das aber klingt nach gar nichts und macht mir deswegen auch ein bisschen Angst. »Ich habe mich ausgesperrt. Kannst du eben mal vorbeikommen und mir aufschließen?«, bitte ich ihn so freundlich wie ich kann. »Andrea, das passt gerade so gar nicht. Moment mal. Ich klär da mal was ab. Vielleicht kann ich es ermöglichen.« Ihro Gnaden hat gesprochen. Vielleicht kann er es ermöglichen? – Was ist das für ein Ton! Ich würde am liebsten auflegen, aber da Tamara mich so erwartungsvoll anstiert, unterdrücke ich den Impuls. Christoph lässt mich in der Leitung hängen und ich höre mir eine gute Minute lang die doofe Warteschleifenmusik der Kanzlei an. So ein seichtes Fahrstuhlgedudel. Dann erbarmt sich mein Mann: »Gut, ich komme vorbei«, sagt er und ich kann seinen Unwillen überaus deutlich heraushören.
Das ist keine Überraschung. Begeisterung hatte ich auch nicht erwartet. »Soll ich Mark gleich mitbringen?«, fragt er mich noch. Immerhin – ein Pluspunkt: er erinnert sich noch daran, dass er Kinder hat, und weiß sogar, dass die Abholzeit im Kindergarten naht. Das ist ein äußerst gutes Zeichen. Das habe ich mal in einer Frauenzeitschrift gelesen. Väter, die wissen, wie die Freunde ihrer Kinder heißen, die die Klassenlehrer identifizieren können und die eine annähernde Idee davon haben, was ihre Kinder nachmittags so treiben, haben angeblich Interesse an ihrer Familie. Ich bejahe seine Abholfrage und er verspricht mir, bald da zu sein. Das war unser längstes Gespräch seit Tagen! »Es klappt. Er kommt«, informiere ich Tamara und höre mir die nächsten fünfzig Minuten neue Hochbegabtengeschichten von ihrem Wundersohn Emil an. Aber immer noch besser, als auf der Straße zu stehen.
     
    Tamara entdeckt sie zuerst. »Wen hat dein Mann denn da im Auto, auf dem Beifahrersitz?«, will sie wissen. »Na, Mark wahrscheinlich, aber der darf eigentlich nicht vorne sitzen.« »Die sieht nicht aus wie ein Kind. Und wie Mark schon gar nicht«, sagt Tamara nur und hat dabei einen so komischen Unterton in der Stimme, dass ich sofort vom Küchentisch aufschrecke. Ich trete neben Tamara, die am Fenster steht, und sehe gleich, was sie meint. Vielmehr – wen sie meint. Belle Michelle steigt aus Christophs Auto. Beine und nochmal Beine und oben dran hängt Belle Michelle. Obwohl ich sie noch nie in echt gesehen habe, erkenne ich sie sofort. Sie ist tatsächlich schöner als auf Sabines Fotos und von weitem machen die Nagerzähnchen wirklich überhaupt nichts aus.
    Ich könnte mich spontan übergeben. Schockkotzen sozusagen. Jetzt ist Christoph komplett übergeschnappt. Was erlaubt der sich? War das mit meinem vergessenen Schlüssel die optimale zufällige Gelegenheit, um der gierigen Schlange schon mal den Sohn vorzustellen? Oder will die Königin der Kanzlei nur mal schauen, wo sie bald wohnen wird? Soll ich sie auf der Stelle töten? Egal, warum sie aus dem Auto meines Mannes steigt – allein die Tatsache ist schon unverzeihlich! »Wer ist das denn? Die sieht ja doll aus«, schüttet Tamara unbewusst noch ordentlich verbalen Spiritus in meine offene Wunde. »Ach, die«, sage ich so beiläufig wie möglich, »eine Kollegin. Christoph hat mir eben schon gesagt, dass sie mitkommt. Die müssen dann noch zum Gericht.« Eine weitere meiner mittlerweile unzähligen Lügen. Reiner Selbstschutz. Wie gerne würde ich jetzt stattdessen schreien und heulen.
    Und wie ich aussehe! Im Putzdress (Schlabberhose und ausgeleiertes T-Shirt!) und Belle Michelle dazu im Vergleich wie auf Staatsbesuch – im knappen Kostüm, olivfarben, mit passenden Pumps und großen goldenen Kreolen in den Ohren. Jetzt hebt diese miese Männerjägerin meinen Sohn aus seinem Kindersitz. Es reicht! Erst der Mann – dann der Sohn. Ich stürme zur Tür raus und laufe zum Auto.
    »Das ist mein Kind«, schreie ich wenig gelassen. Belle Michelle lacht, kommt auf mich zu (sie läuft auf ihren hochhackigen Schuhen so entspannt wie ich in Hausschlappen, die ich übrigens leider auch noch anhabe) und sagt: »Ich weiß. Hallo. Ich bin

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