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Treuepunkte

Treuepunkte

Titel: Treuepunkte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Fröhlich
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Michelle.
    Langner ist derjenige, der schließlich das Wort ergreift: »Ja, liebe Klara, wir freuen uns, dass Sie bei uns sind, und hoffen, es geht so weiter. Die Stimmung und das Miteinander in der Kanzlei sind mit Sicherheit fast einzigartig.« Nach dem, was wir eben gesehen haben, ist einzigartiges Miteinander nicht übertrieben und gewinnt eine völlig neue Bedeutung. Langner bedient sich am Büfett und plaudert ein wenig mit Frau Trundel und Christoph.
    Belle Michelle folgt mir in den Waschraum: »Alle sind irgendwie so komisch. Was ist hier los?«, fragt sie mich. Was nun? Lügen, alles abstreiten oder ihr sagen, welches gewaltige Schauspiel wir da gerade gesehen haben. »Also«, entschließe ich mich für die Wahrheit, »wir haben euch gesehen.« Ich mache eine kleine Pause, um ihre Reaktion abzuwarten. »Wie, ihr habt uns gesehen? Wen denn?«, fragt sie zurück und zeigt sich ein wenig begriffsstutzig. Ich habe angefangen und jetzt gibt es kein Zurück mehr: »Wir haben gesehen, wie du mit dem Langner, na ja, auf dem Schreibtisch, du weißt schon.« »Scheiße«, sagt sie nur. »So eine Scheiße.« Ja, das trifft es ziemlich genau. An ihrer Stelle würde ich die Toilette nicht mehr verlassen, mich einschließen und warten, bis alle nach Hause gehen. Belle Michelle ist anders.
    Sie schnüffelt einmal kurz und fängt dann an, mir ihr Herz auszuschütten. Langner will sich nicht trennen. Noch nicht. Wegen seiner Kinder. Die sind zwar schon erwachsen, aber sein Sohn heiratet bald und das muss er mindestens noch abwarten. Außerdem läuft mit seiner Frau seit Jahren nichts mehr und sie versteht ihn natürlich auch nicht. Aber wenn er sich trennt, muss er zahlen. Dass eine Frau wie Belle Michelle auf diese Standardausreden reinfallen würde, hätte ich nicht gedacht. Vor allem ist mir schleierhaft, was eine Frau wie Belle Michelle von so einem alten Sack wie Langner will? Mir sind diese Art Beziehungen immer suspekt. Angeblich geht es da ja nie um Geld oder Macht. Ha, ha.
    Aber: Vertrauen gegen Vertrauen. Ich erzähle ihr, dass ich seit Wochen überzeugt war, sie hätte was mit Christoph. Diese Idee bringt ein Lächeln auf ihr Gesicht zurück.
»Der ist ganz süß, dein Christoph. Aber, Andrea, ich bin zielstrebig. So jung, dass ich unten anfangen könnte, bin ich nun auch nicht mehr. Ich bin eine Frau für Alphatiere.« Hat Belle Michelle da gerade meinen Mann beleidigt? Egal, Hauptsache, sie hat ihn nicht angerührt. Und nachdem ich den Hintern von Langner gesehen habe, verzichte ich gerne auf ein Alphatier. Jeder setzt seine Prioritäten.
    Als wir zurückkommen, geht Frau Pilscher gerade und sagt nur sehr spitz: »Noch viel Vergnügen allerseits. Ich habe genug.« Langner kommentiert ihren Abgang auch noch: »Ach, die Pilscher ist heute in schlechter Verfassung. So verändert. Missmutig. Ja, die Wechseljahre. Ich kenne das nur zu gut. Frauen in dem Alter!«
    Eigentlich müsste jetzt jemand vortreten, ihm sagen, dass er ja wohl noch älter sei, seine Prostata sicher auch schon bessere Tage gesehen habe, oder ihn anspucken – so eklig ist seine Bemerkung. Direkt die Gattin anrufen, wäre auch eine Variante. Männer wie Langner sind oft auch noch erbärmliche Feiglinge und ziehen ihren sonst sehr aktiven Schwanz ganz schnell ein, wenn sich Ärger anbahnt. Aber keiner tut was. Langner ist eben der Chef. Nur Belle Michelle geht auf ihn zu. Ganz langsam quer durch den Raum. Eine Szene wie aus »Zwölf Uhr mittags«.
    Bevor es hier zu einem grauenvollen Showdown kommt, schnappe ich mir Christoph und wir verabschieden uns. »Bis morgen, Frau Schnidt, schön, dass Sie an Bord sind«, ruft der Langner und da fällt es mir wieder ein. Ich bin seit heute ja wieder eine berufstätige Frau. Der erste Arbeitstag war auf jeden Fall sehr erkenntnisreich.
»Bis morgen und danke, Klara«, rufe ich in die Runde und wir gehen.
     
    Vor der Kanzleitür der erste Kuss nach langer Zeit. Herrlich. »Was da oben wohl jetzt abgeht?«, fragt mich Christoph. »Morgen werden wir es wissen«, sage ich und er sieht mich erstaunt an. »Willst du weiterhin kommen?«, will er wissen. So als wäre das nur mal eine kleine Einlage gewesen. Hat er nicht kapiert, dass es mir ernst ist mit dem Wiedereinstieg ins Berufsleben? Eine weitere Sache, die in den nächsten Tagen dringend geklärt werden muss, genauso wie die Ich-hätte-ja-wenn-ich-eine-Chance-gehabt-hätte-Sache und die Herkunft seiner längsgestreiften scheußlichen Krawatte. Aber eins nach

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