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Treuepunkte

Treuepunkte

Titel: Treuepunkte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Fröhlich
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»Nein, das ist unglaublich, das ist doch, also, das ist, da ist Langner, ich meine, der Arsch von Langner.« Erstaunen macht sich breit. Frau Pilscher, die treue Seele, bezeichnet ihren Chef als Arsch. Das passt nicht. Gar nicht. Eine Frau, die ansonsten sehr steif ist und deren Sprache eher vornehm antiquiert ist, der traut man ein dermaßen herzhaftes »Arsch« einfach nicht zu.
    Kein Wunder, dass die gesamte Kleingruppe zum Fenster stürzt, um zu sehen, was Frau Pilscher so aus der Fassung bringt. Und wir alle können sehr deutlich sehen, was Frau Pilscher so empört und aufregt. Im Fenster gegenüber, eine Etage tiefer, da wo vormittags Berufsschüler schwitzen, spiegelt sich Langners Büro – geradezu perfekt wegen der dunklen Jalousie der Berufsschulklasse. Und was man dort erkennt, hat wenig mit klassischer Büroarbeit zu tun. Ein halbnackter Mann mit großem weißen Po – imposant geradezu – stützt sich auf seinem Schreibtisch ab und etwas unter ihm bewegt sich rhythmisch. Und wegen der Mähne, die über den Schreibtischrand hängt, kann jeder sehen, dass es sich um Belle Michelle handelt. Auffallendes Haar hat doch auch Nachteile.
    Ich glaube, ich bin die Einzige im Raum, die das, was sie da sieht, wunderbar findet. Bedeutet es doch, dass Belle Michelle sehr wahrscheinlich nichts mit Christoph hat. So unmäßig kann nicht mal die sein. Außerdem spricht auch Christophs Reaktion dagegen. Er grinst und das würde er wohl kaum tun, wenn sie ihn da quasi gerade mit Langner betrügen würde.
    Frau Trundel ist diejenige, die uns vom Fenster wegdirigiert. »Ich glaube, wir haben genug gesehen. Darauf sollten wir lieber noch einen trinken«, sagt sie und geht
als Erste wieder zurück in die Raummitte. Wie können die beiden so blöd sein und die Jalousien offen lassen? Wie unvorsichtig. Andererseits – die Räume gegenüber sind nachmittags leer und wenn die beiden soviel Ahnung von physikalischen Dingen haben wie ich, kann ich gut verstehen, dass sie nicht auf die Jalousien geachtet haben. Dass Licht solche Kunststücke vollbringen kann, ist fantastisch. Sonniges Wetter hat so seine Tücken. Jetzt wird mir auch klar, warum die Langner-Frau dauernd hier anruft. Die wird eifersüchtig sein und ahnen, dass da was nicht stimmt. Sie hat im Gegensatz zu mir allerdings eine Berechtigung.
    Mittlerweile sind alle vom Fenster weg. Frau Pilscher kann sich kaum beruhigen. Sie zittert. Der ganze Körper schwingt und sie brabbelt vor sich hin: »Seit dreiundzwanzig Jahren arbeite ich für den. Das ist ein Skandal, ekelhaft. Wie kann ich je wieder mit Frau Langner sprechen?« Ich kann sie verstehen. Man möchte seinen Chef nicht gerne unten ohne sehen, vor allem nicht mit einer Kollegin. Vielleicht ist die Pilscher sogar seit Jahren in den Langner verliebt. Kommt ja häufiger vor, so was. Die Stimmung ist ein wenig gedämpft. Jeder der hier Anwesenden macht sich so seine Gedanken. Auch ich. Ich gehe auf Christoph zu.
    »Du Hübsche, Hübsche«, sagt er und schaut mich fragend an. War das nicht genau das, was mir Helmuth als SMS geschickt hat? Ich glaube, das ist Christophs Art um Aufklärung zu bitten. Ich ziehe ihn in eine Ecke und fange an. Erzähle ihm, wo ich Helmuth kennen gelernt habe und dass da natürlich nichts ist, Helmuth sogar eigentlich an Sabine interessiert ist. »Ich dachte, du hättest was mit
Belle Michelle«, gestehe ich schließlich und Christoph schüttelt verwundert den Kopf. »Klar gefällt die mir, aber dass ich bei der nicht landen kann, ist doch offensichtlich.« Nicht ganz die Antwort, die ich erhofft habe. Heißt das umgekehrt nicht: Wenn ich gekonnt hätte, hätte ich auch zugeschlagen? Das genau herauszufinden, ist eine Aufgabe für die nächsten Tage.
     
    Geräusche auf der Treppe unterbrechen alle Gespräche. Belle Michelle und Langner kommen zusammen zur kleinen Betriebsparty, gerade so, als wäre nichts geschehen. Eines muss man ihnen zugute halten: Sie ahnen ja nicht, dass wir alles wissen. Die Stimmung ist betreten, nur Klara kann gar nicht aufhören zu kichern. Langner merkt nichts. Typisch für einen Chef. Ich würde sofort denken: »Die lacht doch über mich!« Männer wie Langner kommen gar nicht erst auf so eine Idee. Meine Güte, ist das peinlich! Dagegen sind meine kleinen Zwischenfälle in den letzten Tagen ja geradezu lächerlich. Aber niemand sagt was. Frau Pilscher guckt, als würde sie ihrem Chef am liebsten eine ordentliche Backpfeife geben. Oder noch lieber Belle

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