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Treuetest - Brody, J: Treuetest - The Fidelity Files

Treuetest - Brody, J: Treuetest - The Fidelity Files

Titel: Treuetest - Brody, J: Treuetest - The Fidelity Files Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Brody
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die ewig gleichen Fragen, wie ein Autofahrer, der eine Runde nach der anderen in einem Kreisverkehr dreht und rätselt, welche Ausfahrt er nehmen soll. Aber das ist ja das Praktische an einem Kreisverkehr – man kann so lange darin herumkurven, bis man weiß, wohin man will.
    Und genau das hatte ich vor.

    Während ich über den ungewöhnlich leeren Freeway 405 brauste, zermarterte ich mir das Hirn, wie ich Raymond Jacobs gegenübertreten sollte. Ich zog völlig unbewaffnet in die Schlacht; ich hatte noch nicht einmal einen Termin mit ihm vereinbart. Ich konnte eigentlich nur in sein Büro marschieren und ihm befehlen, diese gottverdammte Domain gefälligst zu sperren.
    Toller Plan.
    Insgeheim hoffte ich, dass mein bloßes Erscheinen schon Wunder wirken würde. Dass er sich urplötzlich von der gutmütigen Seite zeigen würde, die er sein ganzes Leben lang sorgfältig verborgen hatte. Dass er sich erweichen lassen würde, auch wenn die Wahrscheinlichkeit dafür gegen null tendierte.
    Konnte ich mit ihm verhandeln? Ihm drohen? Aber womit? Ich hatte nichts gegen ihn in der Hand. Er war bereits bloßgestellt. Es würde wenig nützen, wenn ich mich vor ihm aufbaute und sagte: »Nehmen Sie diese lächerliche Seite aus dem Netz, sonst erzähle ich Ihrer Frau, was Sie getan haben.«
    Ich fand es höchst gewöhnungsbedürftig, derart mangelhaft gerüstet zu sein. Mein ganzes Leben beruhte auf dem Motto »allzeit bereit«. Ich war meinen Opfern stets einen Schritt voraus. Hatte immer bereits den nächsten Schachzug geplant. Doch diesmal würde ich mit Sicherheit die Unterlegene sein. Es stand bereits fest, wer aus der heutigen Begegnung siegreich hervorgehen würde – nämlich auf keinen Fall ich.
    Mir blieb nichts anderes übrig, als das zu tun, was ich am besten drauf hatte: bluffen.
    Am Hauptquartier von Kelen Industries angekommen, fuhr ich mit dem Aufzug in die achte Etage, zog meine Kostümjacke enger und marschierte hoch erhobenen Hauptes in Richtung Empfang. »Ich möchte bitte zu Raymond Jacobs«,
verkündete ich mit ausgesuchter Höflichkeit, aber nachdrücklich.
    Es hätte mich nicht überrascht, hinter dem Tresen ein vollbusiges Mädel Mitte zwanzig mit rot geschminkten Lippen und platinblondem Haar anzutreffen, das ein tief dekolletiertes Top trug und sich vergeblich beim Playboy beworben hatte. Doch weit gefehlt. Ich wurde knapp von einer molligen Dame Anfang fünfzig begrüßt, die aussah, als würde sie schon bedeutend länger für Kelen Industries arbeiten als Raymond Jacobs. Sie blätterte in einer Frauenzeitschrift und war, nach ihrer sauertöpfischen Miene zu urteilen, ungefähr genauso gern hier wie ich.
    »Haben Sie einen Termin vereinbart?«, schnarrte sie und wandte sich dann dem Computer zu, der eine Reihe schriller akustischer Signale von sich gab.
    Ich straffte die Schultern. »Nein, aber wenn Sie so freundlich wären, Mr. Jacobs mitzuteilen, dass Ashlyn ihn sprechen möchte, weiß er bestimmt, worum es geht.«
    »Tut mir leid«, erwiderte sie ohne eine Spur von Bedauern, »Mr. Jacobs empfängt prinzipiell niemanden ohne Termin.«
    Hm. Da musste ich wohl ein bisschen in die Trickkiste greifen. Ich beugte mich mit einem absichtlich breiten Grinsen über den hohen Tresen, sodass sie unwillkürlich zurückwich. Sie schien zu fürchten, ich könnte urplötzlich meine Raubtierzähne ausfahren und ihre Nase anknabbern.
    Ich senkte die Stimme zu einem Flüstern. »Ich ziehe Sie nur äußerst ungern in diese unschöne Geschichte mit rein, aber Ihr, äh, Boss, versucht, mir das Leben schwerzumachen, weil seine Frau – die, wie ich annehme, demnächst seine Ex-Frau sein wird – herausgefunden hat, dass er mich in einer Hotelbar in Denver angemacht hat. Und das lasse ich mir nicht bieten.«

    Ich lehnte mich nonchalant zurück und atmete tief durch, als hätte ich ihr nur mal eben anvertraut, dass sie etwas zwischen den Zähnen hatte. Sie grinste verschlagen. Na, also. Ich hatte sie richtig eingeschätzt: Typ übellaunige Angestellte, deren einzige Freude im Leben es ist, Zeugin jedes auch nur ansatzweise unerfreulichen Ereignisses im Leben ihres bösartigen, undankbaren Chefs zu werden. Abgesehen von richtig gutem Büroklatsch natürlich.
    Meine Enthüllung brachte mir Punkte in beiden Kategorien ein. Sie griff zum Telefonhörer. »Ashlyn, sagten Sie?«, fragte sie gnädig.
    Ich nickte mit einem selbstgefälligen Lächeln und wartete ab, während sie etwas ins Telefon murmelte, dann eine Augenbraue hob

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