Treuetest - Brody, J: Treuetest - The Fidelity Files
ein Hobby von mir«, sagte ich und schlug die Augen nieder, als hätte er gerade eine heimliche Schwäche von mir entdeckt. Ein peinliches Geheimnis, das ich vor einem Insider wie ihm allerdings nur schwer verhehlen konnte.
Er lächelte. »Ich sitze dort drüben«, sagte er ohne Umschweife. »Wollen Sie mir Gesellschaft leisten?«
Es war eindeutig nicht das erste Mal, dass er eine solche Einladung aussprach, so rasch, wie sie gekommen war. Aber ich hatte bereits vorhergesehen, dass ich mich nicht sonderlich würde ins Zeug legen müssen. Der Mann war ein notorischer Aufreißer. Zum Glück bin ich nicht eifersüchtig.
Es ist mein Job, der Einladung zu folgen.
Aber ich muss darauf warten, bis sie ausgesprochen wird, ganz egal, wie lange es dauert. Die Einladung ist obligatorisch. Ich darf Einladungen annehmen, nicht aber selbst einladen. Das ist eine der Regeln. Und da ich die Regeln selbst aufgestellt habe, wäre es ziemlich dumm, sie zu brechen. Regeln sind in meinen Augen dazu da, um eingehalten zu werden. Sie existieren aus einem bestimmten Grund, und zwar meist aus einem triftigen.
»Also, ich...« Ich sah zögernd auf die Uhr.
»Nur ein paar Minuten«, drängte er und lächelte gewinnend.
Ich überlegte, gerade lange genug, um ihn den Nervenkitzel einer möglichen Zurückweisung spüren zu lassen – und den daraus resultierenden Adrenalinkick eines ersten kleinen Sieges. Männer wie er leben für diesen Nervenkitzel, den sie zu Hause schon lange nicht mehr erleben. Und in Anbetracht seines dicken Bankkontos vermutlich auch sonst nicht oft. Wer so reich ist wie er, bekommt selten einen Korb, und das wusste er auch.
»Also, gut«, gab ich nach.
Er lächelte, nahm zuvorkommend unsere Getränke und ging voran zu seinem Tisch, an den problemlos fünf Personen gepasst hätten. Sechs, wenn sie sich gut leiden konnten. Er wartete, bis ich saß, stellte die Gläser ab und nahm dann neben mir Platz.
»Woher kommen Sie?«, erkundigte er sich und nippte an seinem Drink.
»Aus L.A.«, gab ich zurück und liebkoste versonnen mein Glas. »Und Sie?«
Während er meine Frage überdachte (nicht, dass sie besonders kompliziert gewesen wäre, aber zu diesem Zeitpunkt ist die Blutzufuhr zum Gehirn erfahrungsgemäß bereits beeinträchtigt, sodass selbst die Beantwortung einfacher Fragen schwerfällt), griff ich nach unten, um eines meiner Fersenriemchen zurechtzurücken.
Dieses Manöver erfüllt gleich mehrere Zwecke. Es bietet mir die Möglichkeit, die Hand lasziv an meinem Bein entlang nach unten gleiten zu lassen, und für ihn ist es eine gute Gelegenheit, unbemerkt den Ehering abzunehmen, wenn er will.
Er wollte.
Als ich mich aufrichtete und unauffällig auf seine linke Hand schielte, war der Ring verschwunden.
»Newport, Orange County«, sagte er ungerührt. »Wie es aussieht, sind wir Nachbarn.« Nichts an seiner unbekümmerten Antwort deutete darauf hin, dass er das symbolträchtige Schmuckstück abgelegt hatte. Als wäre das keine große Affäre. Mit derselben Selbstverständlichkeit, mit der andere Menschen abends vor dem Zubettgehen ihre Uhr ablegen, legte er, wenn er in einer Bar ein Mädchen kennenlernte, den Ehering ab.
Ich schenkte ihm ein breites Lächeln. »Oh, ich liebe diese Gegend! Wunderschöne Strände. Meine beste Freundin wohnt gleich nebenan in Huntington.«
»Sie sollten mich mal besuchen kommen«, regte er mit einem vielsagenden Grinsen an. »Ich habe einen tollen Pool mit Blick auf den Pazifik.«
Ich kicherte verlegen, um ihn glauben zu lassen, dass ich mich zwar nicht ganz wohl in meiner Haut fühlte, mich davon aber nicht weiter beirren ließ.
»Ja, vielleicht mache ich das mal«, murmelte ich, obwohl
wir beide – wenngleich aus unterschiedlichen Gründen – wussten, dass das eher unwahrscheinlich war, was auch immer in den kommenden Stunden noch passieren mochte. Es geht doch nichts über einen klaren Wissensvorsprung.
»Ich nenne es den Treuetest«, hatte ich der Frau erläutert, die mir mit Tränen in den Augen gegenüber saß. »Wir werden jetzt gemeinsam überlegen, wann und wo ich den Test durchführen werde. Am besten irgendwo auswärts, denn meiner Erfahrung nach passieren die meisten Seitensprünge unterwegs, etwa auf Geschäftsreisen. Dann werde ich eine ›zufällige‹ Begegnung inszenieren und mich Ihrem Mann als ›Gelegenheit‹ präsentieren.«
Sie lauschte meinen Worten konzentriert, nahm jedes schmerzliche Detail auf, nickte bedächtig.
»Ich werde nicht den
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