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Tribunal

Tribunal

Titel: Tribunal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Erfmeyer
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und Dörthe nicht gut gehe. Er bittet darum, dass Dörthe den Stollen verlassen kann.«
    »Was halten Sie davon, Herr Frodeleit?«, fragte Bromscheidt lauernd.
    Frodeleit überlegte kurz. »Wenn sie sich nichts hat zuschulden kommen lassen, finde ich das richtig.«
    »Dann machen wir es so, wie Sie es vorschlagen, Herr Frodeleit. Dörthe darf gleich zu Ihnen überwechseln. – Und was wollte Löffke sonst noch?«, fragte Bromscheidt weiter.
    »Sonst nichts.«
    »Herr Frodeleit, Sie wissen doch, dass meine Ohren überall sind.«
    Frodeleit stockte. Hatte Hubert nicht gerade gesagt, die Mikrofone im Stollen gefunden und zerstört zu haben? Waren Bromscheidts Abhörinstrumente in der Halle so sensibel, dass sie Löffkes leise Worte aus dem verschlossenen Stollen aufnehmen konnten? Oder hatte Löffke Mikrofone im Stollen übersehen? Er hatte doch eine Taschenlampe und Zeit genug gehabt, die Stollenwände in der Nähe der Stahltür genau zu untersuchen. Aber welchen Grad von Sorgfalt durfte er wirklich von Löffke erwarten? Er kannte doch seine Oberflächlichkeit, wusste, wie gern sich Löffke damit brüstete, manchmal ohne vorheriges Studium der Akten in Gerichtsverhandlungen zu gehen. Blindflug nannte er das und schaffte es häufig dennoch, sich schnell in den Fall hineinzudenken und in seinem Sinne entscheiden zu lassen. Löffke war geschickt, aber er widmete sich nie den Details.
    »Herr Frodeleit?«, setzte Bromscheidt nach.
    »Nichts«, bekräftigte Frodeleit und versuchte, fest in die Kamera zu blicken.
    »Löffke hat Ihnen Tipps gegeben, wie man flüchten kann. Das dürfen Sie doch ruhig zugeben, Herr Frodeleit. Es war ja Löffkes Idee und nicht Ihre. Aber Sie müssen das schon bestätigen, Herr Frodeleit. Sie sind der Wahrheit verpflichtet. Die Wahrheit ist doch Ihr Steckenpferd, Herr Frodeleit. Sie sind bald Vorsitzender. Denken Sie daran!«
    »Ja«, sagte Frodeleit matt.
    »Also? Sie können sich doch denken, dass ich alles gehört habe. Aber ich möchte, dass Sie das Gesagte wiederholen.«
    »Aber Sie wissen doch alles«, setzte Frodeleit schwach dagegen, als wollte er der Scham entgehen, der Lüge überführt zu werden.
    »Ich möchte es mit Ihnen diskutieren. Damit Sie alle Bescheid wissen. Es ist zu Ihrem Schutz. Es geht dabei doch nicht nur um Löffke, das wissen Sie doch.«
    »Er hat vorgeschlagen, die Lichtschranken zu überwinden«, antwortete Frodeleit bereitwillig.
    »Ich weiß. – Und was halten Sie von der Idee? Glauben Sie, dass das machbar ist?«
    »Ich bin kein Techniker. Aber Löffkes Idee hört sich schlüssig an.«
    »Schlüssig?«
    Bromscheidt lachte. »Das ist ein Begriff, den Juristen gern benutzen, nicht wahr? – Was haben Sie davon, wenn etwas schlüssig ist? Ist etwas wahr, wenn es schlüssig ist? Ich möchte nur, dass Sie mir sagen, ob es tatsächlich funktionieren könnte.«
    »Ich habe noch nicht darüber nachgedacht. Ich weiß es nicht«, bekannte Frodeleit.
    »Aber denken Sie selbst denn gar nicht darüber nach zu flüchten, Herr Frodeleit?«
    Frodeleit stutzte. Würde er die Frage bejahen, würde er gegen Bromscheidt aufbegehren. Würde er sie verneinen, würde er lügen und Bromscheidt wissen, dass er lügt.
    »Gedacht schon«, sagte er knapp. »Aber ich denke, das ist normal.«
    »Ich wünsche, dass Sie bei der Wahrheit bleiben, Herr Frodeleit.« Das Mikrofon knackte und übertrug ein schwerfälliges Ächzen. Bromscheidt wirkte einen Augenblick matt, dann sammelte er sich wieder: »Wird man Sie bei Gericht vermissen, Herr Frodeleit? Wir haben Freitag. Es ist noch sehr früh am Morgen. Würden Sie heute ins Gericht gehen?«
    »Ich habe um neun Uhr Sitzung«, antwortete Frodeleit.
    »Nun, daraus wird nichts werden, das wissen Sie. – Aber Sie werden heute nichtsdestotrotz eine Sitzung haben. Hier unten, Herr Frodeleit! Sie werden gegen Hubert Löffke verhandeln. Ich glaube, der Angeklagte weiß, was ihm bevorsteht. Deshalb plant er auch seine Flucht. Ich kann ihn gut verstehen. Sollten wir ihn fliehen lassen, Herr Frodeleit? Finden Sie nicht, dass er eine Chance verdient hat?«
    »Selbstbefreiung ist nicht strafbar«, sagte Frodeleit. »Jeder Gefangene hat den normalen Drang, sich selbst zu befreien«, erklärte er flüchtend. »Selbst das Gesetz wirft es ihm nicht vor, wenn er es tut.«
    »Sagen Sie ihm, dass seine Idee mit den Lichtschranken naiv und dümmlich ist«, forderte Bromscheidt klar und schneidend. »Die Schranken lösen Starkstromimpulse aus, die Blitze sind

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