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Tribunal

Tribunal

Titel: Tribunal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Erfmeyer
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Glauben, dass Marie und Stephan sie nicht hörten. Achim Frodeleit nahm Marie zunächst noch in Schutz, aber Verena ließ seine Einwände nicht gelten. Marie hatte davon ausgehen müssen, dass der Stollen, in dem sich Dörthe und Hubert Löffke befanden, verschlossen war. Vor diesem Hintergrund sei Maries Aufbegehren gegen Bromscheidt nur ein zum Scheitern verurteilter Versuch gewesen, der nichts anderem gedient habe, als sich gegenüber der Gruppe zu positionieren und für sich eine mutige Entschlossenheit zu reklamieren, der jedoch von Anfang an erkennbar jeder Erfolg versagt gewesen sei.
    »Sie ist vielleicht ein nettes Mädchen, aber sie ist eine Gefahr«, schloss sie flüsternd.
    Marie und Stephan waren hellwach. Verena Frodeleit beherrschte das Gespräch mit ihrem Mann, gab Widerworte oder bestärkte ihn. Achim Frodeleit hingegen, sonst Wortführer, hielt sich auffallend zurück, gab seiner Frau in vielem recht und schloss sich schließlich ihrer Ansicht an. Dann war es eine Zeit lang still. Frodeleit und seine Frau tranken Wasser aus den Sprudelflaschen und suchten zwischendurch die Toilette auf. Danach saßen sie wieder an dem Holztisch. Sie hielten offensichtlich gemeinsam Wache, aber Marie und Stephan fühlten sich in ihrer Obhut nicht geborgen. Ihnen war bewusst geworden, dass zumindest Marie beiden ein Dorn im Auge war und Frodeleit das eigene Verhalten danach ausrichten würde, wie er und seine Frau persönlich unbeschadet aus dieser Situation herauskommen konnten. Sie würden auch auf Stephan keine Rücksicht nehmen, und auf ihre Freunde, Dörthe und Hubert Löffke, sowieso nicht. Stephan und Marie verstanden, dass in dem Stollensystem drei Parteien für sich kämpften: zum einen die Frodeleits, zum anderen die Löffkes und schließlich sie. Und irgendwo im Dunkeln saß Bromscheidt, der über ihr Schicksal bestimmte und sie geschickt gegeneinander aufhetzte.
     
    Es war gegen halb drei morgens, als sie aus einem unruhigen Schlaf erwachten. Löffke trommelte aus dem gegenüberliegenden Stollen unablässig gegen die verschlossene Stahltür und brüllte nach Bromscheidt. Seine Rufe drangen nur gedämpft durch die geschlossene Tür, aber er stieß sie hämmernd immer wieder aus und ließ nicht nach.
    Frodeleit stand aufrecht in der Tür zu ihrem Stollen und warnte Marie und Stephan, die nun aufstanden, bloß nicht in die Halle zu gehen.
    Frodeleit beugte sich ein wenig vor, gerade nur so weit, dass er von der in der Ecke abgestellten Kamera nicht erfasst werden konnte, und horchte angestrengt, ob sich Bromscheidt meldete. Doch der Lautsprecher blieb still. Bromscheidt musste Löffkes Rebellion bemerkt haben. Die Mikrofone würden den Lärm deutlich in sein Versteck übertragen und Bromscheidt geweckt haben, wenn er tatsächlich geschlafen haben sollte. Vielleicht lauerte er aber auch nur darauf, dass sich jemand mit den Löffkes solidarisch zeigte. Wollte er prüfen, ob Marie ihre Lektion gelernt hatte und es nicht erneut wagte, an die gegenüberliegende Tür zu gehen? Es verbat sich, Löffke etwas zuzurufen. Auch das hätte Bromscheidt ahnden können. Frodeleit sah in den eigenen Stollen zurück. Marie stand mit fahrigem Gesichtsausdruck seitlich an der Wand. Sie machte keine Anstalten, sich für Löffke einzusetzen. Verena beäugte sie argwöhnisch. Sie würde eingreifen, wenn sich Marie zu einer Spontanität hinreißen lassen würde, die ihnen schaden könnte.
    Löffkes Treten und Schreien ebbte nicht ab. Stereotyp schlug und trat er immer wieder hämmernd gegen die Tür und rief Bromscheidts Namen. Stephan verstand, dass er entschlossen war, so lange fortzufahren, bis sich irgendetwas tat, und sei es auch zu seinem Schaden. Dörthe würde unter der Situation noch viel mehr leiden als er. Äußerlich schien sie so robust und doch war sie in Wirklichkeit eine schüchterne und auch empfindsame Frau. Stephan hatte Dörthe bisher als ein von Hubert Löffke in ihrer Persönlichkeit nur wenig geachtetes Anhängsel betrachtet, aber dies war offensichtlich nicht richtig.
    »Der wird doch bald aufhören?«
    Verena schüttelte ungläubig den Kopf.
    »Er tut wenigstens was«, meinte Marie.
    Frodeleit bedeutete ihr mit einer hastigen, abwehrenden Geste, sich still zu verhalten. Vielleicht veranlasste Löffkes Lärmen Bromscheidt endlich, wieder in der Halle zu erscheinen. Doch er kam nicht.
    »Er wartet ab«, vermutete Verena leise.
    »Hubert wird nicht mehr lange durchhalten«, meinte Frodeleit. »Die beiden hatten

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