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Tribunal

Tribunal

Titel: Tribunal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Erfmeyer
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ausgeklügelte Prozessordnung, Herr Frodeleit. Wir brauchen nur Ihren Sinn für Gerechtigkeit.«
    »Tu, was er will! – Wir werden sehen, wie weit es geht. Vielleicht können wir irgendwann ausbrechen. Wir haben ohnehin keine Wahl!« Verena stieß ihren Mann an. »Hubert ist kein Heiliger, das wissen wir doch alle.«
    »Ich möchte, dass die Requisiten passen«, forderte Bromscheidt. »Rücken Sie den großen Tisch etwas zur Seite! Dahinter ist Ihr Platz, Herr Frodeleit. Stellen Sie eine der beiden Bänke hinter den Tisch, damit Sie sitzen können. Die andere Bank stellen Sie – ich würde sagen, mit drei Metern Abstand – vor den Tisch. Das wird die Anklagebank. Was meinen Sie, ist das so richtig, Herr Frodeleit?«
    »Es fehlt noch der Platz des Staatsanwaltes«, erwiderte der Richter. »Der Angeklagte und der Staatsanwalt sitzen einander gegenüber, seitlich zum Richter. Der Richter sitzt vorn. Die Platzsituation muss ein Dreieck bilden.«
    »Sehr gut, Herr Frodeleit! Also müssen wir die Bank dem Staatsanwalt überlassen. Dann muss der Angeklagte eben stehen. Muss ein Angeklagter nicht ohnehin in der Verhandlung stehen?«
    »Nein, er steht wie die anderen nur auf, wenn die Richter in den Saal treten und wenn das Urteil verkündet wird. Sonst darf er sitzen.«
    Frodeleit stutzte. Wusste Bromscheidt wirklich nicht, wie Strafverhandlungen abliefen?
    »Aber Sie stimmen mir zu, dass wir es bei Herrn Löffke anders machen dürfen«, sagte Bromscheidt.
    Frodeleit antwortete nicht. Er verschob den großen Tisch, wie Bromscheidt es gewünscht hatte. Gemeinsam mit Verena nahm er die Esswaren vom Tisch und stellte sie seitlich auf den Boden.
    »Wir können ja den Holztisch aus unserem Stollen dazuholen«, schlug Frodeleit vor.
    »Soll das etwa für Löffke eine Sitzgelegenheit sein?«, hakte Bromscheidt nach. »Soll der Angeklagte höher sitzen als der Staatsanwalt und gar höher als der Richter? – Das ist nicht Ihr Ernst, Herr Frodeleit.«
    Frodeleit forderte Stephan auf, ihm beim Umstellen der Holzbänke behilflich zu sein. Gemeinsam trugen sie sie hinter den großen Tisch und stellten die andere links seitlich, im rechten Winkel vor den großen Tisch.
    »Gut«, lobte Bromscheidt. »Muss das Richterpult nicht auf einem Podest stehen, damit der Richter höher sitzt als die anderen Prozessbeteiligten?«
    »In alten Gerichtssälen ist es gewöhnlich so«, bestätigte Frodeleit. »Aber hier wird es auch so gehen.«
    »Was ist bei der Kleidung zu beachten?«, fragte Bromscheidt.
    »Robe für den Richter, den Staatsanwalt und den Verteidiger. Weißes Hemd und Krawatten.«
    »Wozu weißes Hemd und Krawatten? Gehört das zur Berufskleidung?«
    »Nein, aber Staatsanwalt und Rechtsanwalt sind Organe der Rechtspflege.«
    »Also macht die Krawatte einen Mann zum Organ der Rechtspflege, Herr Frodeleit?«, bohrte Bromscheidt nach und fügte an: »Verstehen Sie mich nicht falsch: Ich will nur genau sein.«
    »Nein, ich verstehe richtig«, antwortete Frodeleit.
    »Wir werden improvisieren müssen, Herr Richter, aber ich denke, Sie werden auch ohne Robe und ohne Krawatte richten können. Richten ist nicht nur Ihr Beruf, Richten ist Ihre Berufung.«
    Marie trat zu Stephan. »Ich glaube, wir haben uns geirrt«, flüsterte sie. »Es geht ihm nicht um Löffke. Sein Ziel ist Frodeleit.«
    »Aber warum will er dann Löffke opfern?«, fragte Stephan leise. Marie zuckte mit den Schultern.
    »Frau Schwarz, Herr Knobel! Muss ich erst wieder Ihr Gehör etwas fühlen lassen? Ich lasse es so lange pfeifen, bis Sie wahnsinnig werden und in die Lichtschranken rennen. – Sie wissen, was dann passiert.«
    »Halten Sie endlich den Mund!«, herrschte Verena Stephan an.
    »Wir müssen alle Rollen besetzen«, rief Marie laut in Richtung Mikrofon.
    »Welche Rollen?«, fragte Bromscheidt.
    »Wenn wir einen Richter und einen Angeklagten haben, benötigen wir auch einen Staatsanwalt und einen Verteidiger. – Stephan Knobel wird Hubert Löffke verteidigen.«
    Bromscheidt reagierte nicht.
    Stephan wusste, dass Marie ihn in die Verantwortung nahm. Sie hielt seine Hand, entschlossen, ihn dazu zu drängen, sich gegen Bromscheidt und Frodeleit aufzulehnen.
    »Sie wollen Gerechtigkeit, Sie haben es anfangs selbst gesagt«, erinnerte Marie. »Jetzt nehme ich Sie beim Wort. Es kann nicht gerecht zugehen, wenn Löffke keinen Verteidiger hat. Es muss ein Gegengewicht zu dem strengen Richter geben.«
    »Das war nicht vorgesehen«, gestand Bromscheidt.
    »Ich weiß.«

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