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Tribunal

Tribunal

Titel: Tribunal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Erfmeyer
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er meinem Bruder erklärt.«
    »Und das hat Bernd Büllesbach geglaubt?«
    »Letztlich hat er jedenfalls nichts mehr gegen das Urteil unternommen. Aber er hat das niemals aus dem Kopf bekommen. Einige Zeit später wollte er sich mit dieser Geschichte sogar an die Medien wenden. Wenn ich mich recht erinnere, hatte er sogar schon mit der Redaktion eines Fernsehmagazins Kontakt aufgenommen. Aber dort hatte man kein Interesse. Seine Geschichte berühre nicht die Allgemeinheit. Ich glaube schon, dass diese Verurteilung Bernd verändert hat. An sich handelte es sich ja um eine Bagatelle, aber sie löste in ihm eine Katastrophe aus.«
    »Mit dem Begriff Rechtsstaat durfte man ihm auf jeden Fall nicht mehr kommen«, pflichtete ihr Mann bei.
    »Hubert Löffke und Achim Frodeleit waren für ihn Symbole der Korruption«, fuhr Britta Stein fort. »Er hat beide auch nicht mehr aus den Augen gelassen. Er wusste ja von Löffke, dass sie befreundet sind. Löffke hatte es ihm im Vorgespräch mitgeteilt. Den Frodeleit kenn ich, soll Löffke gesagt haben, das wird schon nicht so schlimm werden. Sie dürfen in seiner Sitzung nur nicht die große Welle machen. Das mag er nicht. Gerade weil Bernd darauf vertraute, hatte er in der Hauptverhandlung auch praktisch nichts mehr gesagt. Der Löffke wird das schon machen, dachte er. Und er hatte falsch gedacht. Dass die Gerichte bei solchen Bagatellen Milde walten lassen und gerade bei Ersttätern, wenn man Bernd überhaupt als Täter bezeichnen konnte, die Verfahren häufig eingestellt werden, wusste er damals noch nicht. Und als Löffke ihm nach dem Urteilsspruch mitteilte, dass es noch viel schlimmer hätte kommen können, hat er schließlich kapituliert. Innerlich akzeptiert hat er dieses Urteil nie. Löffke machte anschließend Karriere in der Kanzlei Hübenthal und Frodeleit wechselte vom Amtsgericht Dortmund zum dortigen Landgericht und später noch zum Oberlandesgericht. Und jetzt steht er vor seiner Ernennung zum Vorsitzenden. Finden Sie es richtig, dass so einer Karriere macht?«
    »Er wird Vorsitzender werden, ob es nun richtig ist oder nicht«, sagte Stephan.
    »Was ist der eigentliche Grund Ihres Besuchs?«, fragte Stiezel. »Die Sache ist doch abgeschlossen. Bernd hat seine Feinde auf seine Weise zur Strecke bringen wollen und ist letztlich gescheitert. Wie auch immer dieser Unfall im Stollen passiert ist: Wir werden es nie erfahren und auch nicht beweisen können, was wir vermuten.«
    »Sie denken also, dass es kein Unfall war?«, folgerte Marie.
    »Hilft es, sich darüber Gedanken zu machen?«, fragte Britta Stein resigniert. »Bernd war schwer krank. Das wissen Sie. Er hatte eine schlechte Prognose. Es gab keine Aussicht, dass er jemals wieder gesund werden würde. Acht bis zehn Monate noch, hatte sein Arzt prognostiziert. Manchmal denke ich, dass ihm auf diese Weise viel erspart worden ist. Ich weiß, dass man so nicht denken soll, aber man tut es trotzdem. Bernd hätte kein Leben mehr gehabt, das nach unseren Vorstellungen lebenswert gewesen wäre.«
    Stephan sah in die aufsteigenden Schwaden. Büllesbach hatte bei dem abendlichen Treffen in der Villa zwar etwas blass, aber dennoch lebensfroh ausgesehen. Der Gang durch das Stollensystem und die Ausführung seines Planes mussten ihn Kraft gekostet haben. Nichts hatte darauf hingedeutet, dass er todkrank war. Aber vielleicht erklärte gerade die Krankheit sein Tun. Er hatte nichts mehr zu verlieren.
    »Meinen Sie, dass er seinen Tod provoziert hat?«, fasste Stephan nach.
    »Provoziert?« Britta Stein schüttelte den Kopf.
    »Nein, das glaube ich nicht. Sein Ziel war es, Frodeleit und Löffke beruflich zu ruinieren. Er wird erst angesichts seiner schweren Krankheit den Mut gefunden haben, gegen die beiden anzutreten. Aber er hatte immer noch einen Funken Hoffnung. Er wollte nicht sterben, davon bin ich fest überzeugt. Ich kann mir vorstellen, dass es ihm Spaß gemacht hat, Löffke und Frodeleit vorzuführen und zu peinigen. Alles, was ich weiß, deutet darauf hin, dass ihm das gelungen ist. Oder was meinen Sie? Sie sind doch schließlich Löffkes Kollege, Herr Knobel.«
    »Stephan ist anders«, versicherte Marie.
    »Was wollen Sie wirklich von uns, Herr Knobel? Sie haben die Zeit im Stollen miterlebt. Sie sind Zeuge eines Schauspiels geworden, im Zuge dessen sich Löffke und Frodeleit selbst enttarnt haben. Das ist die eine Seite. Und die andere Seite ist, dass mein Bruder die beiden, und natürlich auch Sie, über Stunden der

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