Trickser: Sammelband: Der Iril-Konflikt - Zwischen allen Fronten (German Edition)
verließ so den Cyberspace. Hinter seinen Augenlidern wurde es schwarz, die computergenerierte Vision der NATI-Masche Roks war in seinem Gehirn bloße Erinnerung. Blaine atmete einmal tief durch, ehe er die Augen öffnete. Auch wenn der Kontakt nun nicht mehr bestand, so war das Wissen um Pasi Rundau, den Verkauf und das richterliche Polizeikommando erhalten geblieben. Es würde ein knappes Rennen werden.
«Was erfahren?», fragte Scyna. Sie kam durch die angelehnte Tür, lehnte sich an einen Schrank und knabberte einen Cracker.
«Ja. Die Sachen waren schon auf dem Markt und wurden von einem einzigen Käufer erworben.» Er betrachtete seine Schwester von oben bis unten. «Zieh dir was Schickes an, wir besuchen die Goldene Kimmung und sehen uns eine Show des großen Zauberers TyMar an!»
***
Feiner Nieselregen schwebte unablässig durch die Straßen, getrieben von einem unangenehmen Nordostwind, und ließ Häuserfassaden und Straßen im Licht der Neonbeleuchtung funkeln. Doch so sehr die Stadt auch strahlte, es roch moderig und verfallen. Der Regen war nicht stark genug, um den Unrat wegzuspülen, stattdessen ließ er ihn aufquellen. Eine verwirrende Anzahl verschiedenster Geräusche – mechanisch, von Lebewesen verursacht oder unbestimmbar – bildete einen Klangteppich, den Tischara trotz ihres trainierten Gehörs nur schwer durchdringen konnte. Sie suchte nach den Quellen der Töne, suchte in ihrer Beschaffenheit den Ursprung, doch die meisten waren zu fremdartig, als dass sie hätte Schlüsse ziehen können. Nur dank ihrer Erfahrung im Bereisen fremder Welten und ihrem Selbstvertrauen konnte sie sich des Gefühls erwehren, erdrückt zu werden.
Sie ging erhobenen Hauptes durch die Straßen und Hinterhöfe von Rok-Stadt, trug den Kragen ihres Mantel hochgestellt und die Spitze des Dreispitz nach hinten, zwischen den abstehenden Ohren. Ihre Augen lagen im Schatten des Hutes. Unter den Stiefelsohlen knirschte Glas, als sie an einer zerborstenen Fensterfront vorbeilief. Blinde Zerstörungswut regiert diesen Ort, dachte Tischara mit Abscheu. Wie können diese Wesen nur so leben? Sie zerstören ihre Körper und sperren ihre Seelen in Käfige aus Hass und Gier.
Sie war den Weg, der sie zum Agenten bringen sollte, noch nie gegangen, doch die Beschreibung der Zentrale war sehr genau gewesen. Etwa an jeder fünften Ecke gab es Straßenschilder, jedoch orientierte man sich besser an den auffälligeren Gebäuden. Immer wieder wich sie vom vorgeschriebenen Weg ab und lief im Kreis – zum einen, um mögliche Verfolger auszumachen, zum anderen, um die Stadt kennen zu lernen. ‹Nur wenn man zu Fuß reist, erkennt man die Seele eines Ortes›, erinnerte sie sich an einen Lehrspruch ihrer Ausbilder. Es war möglich, dass ihr diese Ortskenntnisse während des Auftrags zum Vorteil gereichen würden.
Die Straßen waren trotz des unangenehmen Wetters voller Wesen, die von einem Lokal, einem Geschäft, einem Fick oder einem Raub zum nächsten zogen. Die meisten hielten die Köpfe gesenkt, um keinen Regen in die Augen zu bekommen, und eilten durch die Nacht, darauf bedacht, jeglichem Ärger auszuweichen.
Tischara hatte drei Viertel der Strecke hinter sich gebracht, als sie die beiden Verfolger hörte. Aus dem Sammelsurium von Geräuschen schälte sich das Tappen von zwei Paar Menschenfüßen, die in schweren Schuhen steckten. Die Gürtel klirrten, und das Kunstleder der Jacken scheuerte. Tischara wechselte die Straßenseite. Mit der nächsten Brise erschnüffelte sie die Gerüche ihrer vermeintlichen Verfolger: eindeutig Merdianer. Sie drehte den Kopf und sah in einem Schaufenster für Körperschmuck die gespiegelten Silhouetten der beiden Männer. Straßenräuber, schätzte Tischara. So verkommen wie der ganze Planet.
Sie musste dreimal die Richtung ändern, dann war sie ihren Verfolgern entkommen, die sich wohl sofort ein neues Opfer suchten. Sie stellte sich in eine verwitterte Hausecke und konzentrierte sich. Sie stellte eine Verbindung mit den Amuletten, die sie am Körper trug, her, aktivierte sie mit ihrer Kraft und gab ihnen Energie. Auf diese Weise sollte sie für elektronische Sensoren nicht aufzuspüren sein. Es war der gleiche Schutzmechanismus, der ihre Schiffe vor Scannern verbarg.
Eine halbe Stunde später erreichte sie ihr Ziel. Das Gebäude lag etwas abseits der bevölkerten Straßen, auf einem Platz, der möglicherweise mal ein gepflegter Garten gewesen war – doch jetzt musste sich Tischara durch
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