Trieb: Paul Kalkbrenner ermittelt. Bd. 3 (Ein Paul-Kalkbrenner-Thriller) (German Edition)
bedauert Sabine Reinke. Karin Fink ergänzt: »Wir haben einige, die Ende 20, Anfang 30 sind und von denen man sagen kann, sie gehen einer typischen Obdachlosenkarriere entgegen.«
Urlaub
Short Story
Diese Kurzgeschichte hat keinerlei Bezug zum Romaninhalt, aber da mich wiederholt Leserbriefe erreichen, in denen der Wunsch nach einem Wiedersehen mit Paul Kalkbrenner und Sera Muth geäußert wird, möchte ich Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, zum Schluss genau diesen Gefallen tun.
Begleiten Sie meine beiden Ermittler doch einfach in den »Urlaub«.
An der Friedrichstraße stieg Paul Kalkbrenner aus dem Auto und der Ostwind erwischte ihn frontal. Es fühlte sich an, als bohrten sich scharfe Klingen in seinen Körper. Er brauchte einen Augenblick, um sich aus der Erstarrung zu lösen. Hastig knöpfte er den Mantel bis zum Kragen zu. Seine Finger schmerzten unter der Kälte. Er rieb die Handflächen aneinander.
»Hast du keine Handschuhe dabei?«, fragte Sera Muth.
»Daheim vergessen.«
»Soll ich dir meine leihen?«
Kalkbrenner musterte seine junge Kollegin, die einen Kopf kleiner war als er. »Die passen nicht.«
»Sicher?«
Er nickte und setzte sich in Bewegung. Der Wind schlug ihm mit einer Peitsche ins Gesicht, schälte ihm mit einem Reibeisen die Kopfhaut ab. Der Atem war eine dichte, eisige Wolke vor den Lippen, als Kalkbrenner knurrte: »Scheiß Winter.«
»Also ich mag ihn«, meinte Muth.
»Du hast ja auch Handschuhe.«
Muth schmunzelte. »Du wolltest sie nicht.«
Kalkbrenner rieb sich mit der Hand den schmerzenden Schädel. »Eine Mütze wäre mir lieber.«
Er blieb stehen, weil ein Streufahrzeug der BSR vorbeirumpelte und im hohen Bogen Granulat über die Friedrichstraße verteilte. Verärgert wischte er sich einige Splitter vom Mantel, bevor er die Krausenstraße überquerte. Gefolgt von seiner Kollegin, die kaum Schritt mit ihm halten konnte, strebte er der Gedenkstätte Checkpoint Charlie entgegen, die keine 300 Meter mehr entfernt lag. Sie passierten die ersten Straßenhändler, die trotz der tiefen Temperaturen ihren Ramsch auf Holztischen ausgebreitet hatten.
»Sieh mal!«, rief Muth.
»Was?«, brummte Kalkbrenner, der stehen blieb, als er merkte, dass seine Kollegin ihm nicht mehr folgte. Sie deutete auf einen der Trödeltische, auf dem der gleiche Plunder wie auf allen anderen lag – zersprengte Brocken der Berliner Mauer, bleiche Orden und Anstecker der NVA , löchrige Uniformen der Volkspolizei. Selbst die Verkäufer, die mit den wenigen Kunden feilschten, die es in die Friedrichstraße verschlagen hatte, wirkten mit ihren Pudelmützen, den Wollschals und grünen Militärmänteln wie übergroße DDR -Überbleibsel.
»Was?«, wiederholte Kalkbrenner, weil er immer noch nicht begriff, was Muth ihm zeigen wollte.
»Die Mütze!«, sagte sie.
»Schapka«, korrigierte Kalkbrenner, der endlich sah, wie an einem der Stände eine verlockend warme Fellmütze ihren Besitzer wechselte. »Und wenn mich nicht alles täuscht, ist das sogar eine Original-Schapka aus russischen Militärbeständen.«
»Das kannst du erkennen?«, zweifelte Muth.
»Und ob. Schließlich bin ich im Osten aufgewachsen.« Kalkbrenner baute sich vor dem nächstbesten Trödeltisch auf. »Ich hätte gerne auch eine Schapka.«
Der Händler hob unter seinem schweren Mantel bedauernd die Schultern. »Schapka nix mehr.«
»Wie? Nix mehr?«
»Ich nix mehr Schapka. Schapka aus.«
»Sie meinen: Ausverkauft?«
Der Händler nickte übereifrig. »Ja, Winter kalt. Alle kaufen Schapka.«
Kalkbrenner machte kehrt und wollte zum nächsten Tisch eilen. Der Trödler hielt ihn mit der einen Hand zurück, mit der anderen holte er in einer Geste aus, die ganz Berlin umfasste. »Alle Schapka aus.« Er griff nach einem alten Vopo-Mantel, den eine Eisschicht überzog. Trotzdem entwich dem grünen Stoff ein muffiger Geruch. »Aber Jacke da.«
Kalkbrenner klopfte sich auf die Brust. »Sehe ich so aus, als bräuchte ich noch einen Jacke?« Missmutig vergrub er die Hände in die Manteltaschen. »Können Sie mir wenigstens sagen, wo wir Herrn Stankowski finden?«
Der Trödler neigte den Kopf. »Was?«
Ein Windstoß fegte über Kalkbrenner hinweg. Er schauderte und fragte sich, was zum Teufel er hier eigentlich zu suchen hatte. »Ich suche Juri Stankowski. Haben Sie verstanden? Juri ... Stankowski ... wo?«
Jetzt grinste der Straßenhändler und entblößte dabei ein Gebiss mit einem halben Dutzend schwarzer Löcher. Er zeigte hinüber
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