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Trieb

Trieb

Titel: Trieb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Krist
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richtig, und wann ist falsch?«
    Wie erwachsen seine Tochter war. Hatte er unter Jessys Pullover gerade den Ansatz eines kleinen Bauches entdeckt?
    Sie lächelte. »Was hältst du davon: Ich komme morgen früh zum Frühstück vorbei? Dann reden wir. Ist neun Uhr in Ordnung?«
    »Wenn du die Brötchen mitbringst – ja.« Eilig verabschiedete sich Kalkbrenner von den beiden und rief auf der Fahrt Richtung Mitte Thanner an. »Paul, was willst du noch so spät?«, brummte der ihm mit tiefer Baritonstimme zur Begrüßung entgegen.
    »Das Verbrechen kennt keinen Schlaf.«
    »Mag sein.« Thanner wieherte müde. »Aber wir gehören zur anderen Seite. Wir kennen und brauchen ihn gelegentlich.«
    »Was habt ihr im Fall Radomski und Fielmeister herausgefunden?«
    Schlagartig wurde Thanner ernst. »Wenn du die Wahrheit hören möchtest: nichts. In was auch immer die beiden verstrickt gewesen sind, so sie es denn waren, sie haben es geschickt verheimlicht.«
    »Und Sackowitz? Habt ihr ihn aufgetrieben?«
    »Nein, aber wir haben ihn zur Fahndung ausgeschrieben.«
    »Und bis jetzt keine Spur?«
    »Nicht wirklich, aber die Kollegen aus Grünau glauben, seine Exfrau, Karin Spindler, könnte etwas über seinen Verbleib wissen. Allerdings will sie nicht mit der Sprache rausrücken. Wir überwachen ihr Haus.«
    »Wo wohnt sie?«
    »Aber Paul, was hat das denn jetzt mit dem Fall dieses ermordeten Jungen zu tun?«
    »Inzwischen sind es bereits zwei tote Jungen: Manuel und Gregori. Und das ist längst nicht alles. Sackowitz’ Rechner wurde inzwischen entschlüsselt. Es waren explizite Fotos und Filme darauf gespeichert – unter anderem zeigen sie Manuel und Gregori.«
    »Heißt das, Radomski und Fielmeister sind die eine Seite, Manuel und Gregori die andere und der Reporter das verbindende Glied?«
    »Weiß nicht, könnte auch alles ein Zufall sein.«
    »Hallo? Warst nicht genau du derjenige, der das bestritten hat?«
    Dem konnte er ehrlicherweise nicht widersprechen.
    Thanner stöhnte auf: »So viel Gammelfleisch kann ich gar nicht fressen, wie ich kotzen möchte.«
    Das traf die Dimensionen, die ihr Fall plötzlich annahm, Kalkbrenners Meinung nach direkt auf den Punkt. »Sagst du mir jetzt, wo Sackowitz’ Exfrau wohnt?«

118
    Patschnass und durchgefroren erreichte Tabori die Wohnung in Marzahn. Auch Ludwig klebte das Haar am Kopf, sein Mantel hatte ihn jedoch vor Schlimmerem bewahrt.
    »Du gehst jetzt erst einmal heiß baden«, empfahl er dem zähneklappernden Jungen.
    »Baden?«
    »Klar, warum denn nicht?«
    »Nur duschen. Baden … kostet Geld.«
    »Natürlich kostet es hier auch Geld, aber das ist okay, trotzdem darfst du es.« Ludwig war schon auf dem Weg in die Küche. »Und wenn du fertig bist, mache ich dir einen heißen Kakao, einverstanden?«
    Tabori nieste wie zur Antwort, weshalb er auch alle Vorbehalte über Bord warf. Im Badezimmer zog er sich die klammen Kleider aus, während das Wasser in die Wanne plätscherte. Er kippte einen kräftigen Schuss aus einer Flasche hinzu, von der er annahm, dass sie einen Badezusatz enthielt. Kurz darauf tauchte er in warmes Nass ein, und Berge von fluffigem Schaum umgaben seinen erkalteten Körper. Für die nächste halbe Stunde war er mit sich und der Welt zufrieden und dachte an nichts, dann kletterte er aus der Wanne.
    Beim Abtrocknen fiel Tabori auf, dass er zuvor vergessen hatte, sich neue Kleidung herauszusuchen. Er spähte in die Diele. Aus der Küche hörte er Geschirrgeklapper, die Luft schien rein zu sein. Das Handtuch um die Hüfte geschlungen, hastete er in Fritz’ Zimmer. Ludwig hatte den CD-Player eingeschaltet.
Just a normal day
, sang Tokio Hotel.
Streets turn into graves. So cold the night. They at once lose the fight. So many of them out there. No one seems to care.
    Tabori suchte nach dem Jogginganzug, konnte ihn aber nicht finden. Als er den Kleiderschrank aufmachte, löste sich mit der Bewegung das Handtuch und fiel zu Boden. Er durchstöberte die Fächer, bis er eine Unterhose fand, die er schnell anzog.
    »Bist du traurig wegen Ryon?« Ludwig stand im Zimmer und hatte wieder den Bademantel an. Der Junge hatte ihn nicht kommen hören. »Weil du ihn nicht getroffen hast, nicht wahr?«
    »Ja«, gab Tabori zu.
    »Das brauchst du nicht.« Ludwig trat hinter ihn. »Du wirst ihn ganz bestimmt wiedersehen. Ich dagegen werde Fritz …« Er sprach nicht weiter, dafür spürte Tabori eine Hand auf seiner Schulter. »Und weißt du, was das Schlimmste ist? Mit jeder

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