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Trieb

Trieb

Titel: Trieb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Krist
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Medien in großem Umfang ein. Trotzdem wurde am Samstag Manuels Leiche aufgefunden.
    Neuen Erkenntnissen der Polizei zufolge gibt es jetzt eine Verbindung zu einer bisher nicht identifizierten männlichen Kinderleiche. Auch dieser Junge wurde vor sechs Monaten das Opfer eines Gewaltverbrechens.
    Polizeipräsident Hartmut Diesel bat erneut um Verständnis, dass die Polizei nicht alle ihr bekannten Details zu den Taten veröffentlichen könne, da die Suche nach dem Täter dadurch erschwert werden würde.

123
    Harald Sackowitz fuhr den Mehringdamm entlang nach Neukölln. In der frühen Morgenstunde lag der Bezirk wie ausgestorben da. Kurz vor der Schillerpromenade hielt er an der Ecke Leinestraße. Durch das blattlose Gestrüpp am Straßenrand konnte er die Flughafenstartbahn ausmachen. Zwei kleine Flieger parkten vor den pompösen Abfertigungshallen. Komisch, dabei war der Betrieb auf Tempelhof doch offiziell längst eingestellt worden.
Was zerbrichst du dir darüber jetzt den Kopf?
Stimmt,
er hatte weiß Gott andere Probleme.
    Seine Schuhe versanken im grauen, zentimeterdicken Brei, zu dem der Regen den Schnee aufgeweicht hatte. Mit jedem Schritt schmatzte es unter den Sohlen seiner Sneakers. Er versuchte, sich zu konzentrieren, zumindest so weit, wie es ihm in der verdammten Kälte möglich war.
    Nach einigen Minuten regten sich Zweifel. Wonach hielt er hier eigentlich Ausschau?
Eine Wohnung in Neukölln
,
in der Schillerpromenade.
Davon hatte Jan-Sönken Schulze gesprochen, wenn er Magda Michels Glauben schenkte. Aber welche Wohnung? Welches Haus? Bis auf einen schmalen Grünstreifen säumten Aberdutzende von hässlichen Betonbauten mit Hunderten, nein, Tausenden billiger Wohnungen die lange Straße.
    Aufmerksam studierte Sackowitz die unsanierten Fassaden, stierte in nachttrübe Parterrewohnungen und kontrollierte sogar die Klingelschilder neben den Haustüren. Der Name »Schulze«
begegnete ihm nicht. Weder als Anagramm noch als Symbol oder sonst was, das auf eine wie auch immer geartete Verbindung zu dem Staatssekretär, seinem Referenten Radomski oder dem Unternehmer Fielmeister schließen ließ.
    Müde lehnte sich der Reporter an eines der Autos, die am Straßenrand parkten. Inzwischen war er schon fast zwanzig Stunden nonstop auf den Beinen. Und die Nacht auf Sonntag, die er in dem verschimmelten Bett seines Nachbarn verbracht hatte, war alles andere als erholsam gewesen. Außerdem griff der Frost mit unnachgiebigen Klauen nach ihm. Eine Tasse Kaffee würde jetzt Wunder wirken.
    Aus einer Konditorei fiel Licht auf den vereisten Bürgersteig. In der Backstube hantierte der Bäcker mit Tabletts zwischen den Öfen herum und wappnete sich mit frischen Schrippen für die ersten Pendler des nahenden Werktags. Der Verkauf begann laut Türschild um fünf Uhr – verdammt, das war erst in einer knappen Stunde.
    Sackowitz rieb sich die Hände und die Wangen warm, bevor er seine Suche fortsetzte. Er lief am Ausstellungsraum eines lokalen Kunstvereins vorbei, dann passierte er das verhangene Schaufenster eines alternativen Szenetreffs, wie die verblichenen Poster an der Scheibe vermuten ließen. Die Leuchtreklame war von der Fassade abmontiert worden. Dass der Treff noch genutzt wurde, stand zu bezweifeln.
    Die restlichen Ladenlokale der Straße standen leer. Müll türmte sich vor ihren Schaufenstern. Zunehmend verzweifelter marschierte Sackowitz die Straße auf und ab. Erwartete er hier tatsächlich ein Anzeichen für … ja, wofür denn eigentlich? Eine Riesensauerei?
Lächerlich!
Er wusste ja noch nicht einmal, worauf er überhaupt achten sollte. Und selbst wenn er es wüsste – seit Schulzes Tod waren mittlerweile anderthalb Monate vergangen. Wenn es irgendwo hier je Anzeichen für dessen Machenschaften gegeben hatte, dann waren sie mit Sicherheit längst beseitigt worden.
Aus dem Weg geräumt – so wie Fielmeister
,
Radomski
,
Christian und bald auch …
    Aber er musste aufhören zu denken und stattdessen weitersuchen, hier und nirgendwo anders. Ihm blieb gar keine andere Wahl, Magda Michels’ Aussage war die einzige Spur, die er hatte. Auch wenn sie so mickrig war wie die kleinen Büsche und Bäume auf dem Streifen, den er jetzt zum x-ten Mal überquerte. Zwischen dem Grünzeug starrte er in die Nacht, die so finster war wie der ganze verdammte Fall.
Von Anfang an.
Vielleicht hätte er doch auf Bodkema hören sollen.
Ja
,
vielleicht.
Aber jetzt war es zu spät.
    Er beeilte sich, in den hellen Kegel einer

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