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Trieb

Trieb

Titel: Trieb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Krist
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Pfote leckte. Als er aufstand, hielt sie in ihrer Bewegung inne.
    »Hallo, Katze«, sagte er.
    Sie tapste auf ihn zu, strich ihm um die Beine.
    »Woher kommst du?«
    Als er sie streichelte, begann sie zu schnurren. Ihr Fell war bitterkalt, aber der kleine Körper darunter fühlte sich warm an.
    »Wie heißt du?«
    Sie rieb ihr Hinterteil an seinem Knie. Ihr langer, buschiger Schwanz stand steil empor.
    »Hast du keinen Namen?«
    Zur Antwort schmiegte sie ihren kleinen Kopf an seine Hand.
    Tabori erhob sich und ging zur Straße zurück. Als er sich noch einmal umdrehte, sah er, dass die Katze inzwischen auf die Parkbank gesprungen war und nun auf der warmen Stelle hockte, auf der eben noch er gesessen hatte. Er winkte ihr zu. Dann dachte er wieder an Slavzik und lief schleunigst weiter.
    Es waren kaum noch Menschen unterwegs. Und die wenigen, denen er begegnete, hatten es eilig, in ihre Wohnungen zu kommen. Aber wohin wollte er? Was hoffte er zu finden? Mit einer nie gekannten Sehnsucht dachte er an Gracen. An die Höhle. An Gentiana. Sogar an das Haus seiner Mutter. Aber dann stellte er sich die Enttäuschung vor, die er ihr, mehr aber noch dem tapferen Florim bereiten würde, wenn er ohne Geld heimkehrte.
    An einer Baustelle ragten die schwarzen Schatten der Bagger wie mächtige Ungetüme in das nächtliche Zwielicht. Der Rohbau, neben dem sich meterhoch Schutt türmte, glich den verfallenen Fabrikruinen in Gracen. Tabori pinkelte hinter ein Gebüsch. Zwischen gusseisernen Rohren entdeckte er einen schmalen, klaffenden Spalt in einer Steinmauer. Mit etwas Fantasie ähnelte er dem Zugang zur Höhle auf dem Skanderberg.
    Durch die Öffnung quetschte sich Tabori in einen winzigen Verschlag. Im Licht der Straßenlaterne sah er, dass der Raum nur wenige Meter im Quadrat maß. Immerhin waren die gluckernden Rohre heiß, die aus dem Boden senkrecht durch die Decke führten. An eines von ihnen lehnte sich Tabori an, nachdem er seine Jacke an eine Schraube gehängt hatte, und langsam kehrte die Wärme in seinen Körper zurück.
    Aus seiner Gesäßtasche zog er die beiden Fotos hervor. Sie waren zerknittert, aber die Personen auf den Abzügen konnte er nach wie vor gut erkennen. Der eine zeigte Mutter und Mickael, der andere seinen Cousin Ryon und Gentiana. Tabori spießte die Bilder auf einige Nägel, die in die unverputzte Mauer geschlagen worden waren. Nun sah der Raum fast aus wie das Zimmer, das Tabori daheim mit Mickael geteilt hatte. Das Einzige, was fehlte, war das Poster von Tokio Hotel.
    Tabori ballte die aufgewärmte Jacke zu einem Kissen zusammen. Dass der Boden hart und voller staubigem Mörtel war, störte ihn nicht. In der Höhle auf dem Skanderberg hatte er auch im Schmutz geschlafen. Er legte sich auf die Seite und bettete seinen Kopf auf die Jacke. Als seine Wange den Stoff berührte, stöhnte er vor Schmerz auf. Die Wunde von Miros Hieb war mittlerweile zu einer dicken Beule angeschwollen.
    Mitten in der Dunkelheit funkelten ihn zwei Augen an.
    »Schön, dich wiederzusehen«, flüsterte Tabori.
    Die Katze schlich näher und rieb ihren Kopf an seinem Ellbogen.
    »Bist du mir gefolgt?«
    Sie sprang auf seine Beine und begann, ihre Krallen an seiner Hose zu wetzen.
    »Willst du mir jetzt sagen, wie du heißt?«
    Sie maunzte.
    »Ich kann dich doch nicht verstehen.«
    Noch einmal miaute sie kläglich.
    »Mach dir nichts draus«, sagte Tabori. »Dann geht’s dir so wie mir. Mich versteht hier auch keiner.«
    Leise fing er an, die erste Strophe von
Povijn ’krushqi
zu summen
.
Das Lied handelte von Vertrauen, Liebe, Wärme und von Glück. War er tatsächlich so naiv gewesen und hatte angenommen, er bräuchte nur aus dem Zug zu steigen und würde sofort Arbeit finden?
Aber alle im Dorf glauben
,
dass Ryon inzwischen viel Geld verdient.
Sein Cousin würde ganz sicher wissen, wo er in Berlin einen Job bekommen konnte. Tabori musste ihn nur finden.
    Zufrieden mit dem Entschluss legte er sich zurück auf sein provisorisches Kissen. Die Katze rollte sich auf seinem Bauch zusammen, sodass er ihre Wärme und ihr Schnurren an seiner Brust spürte, während er erschöpft einschlief.

Berliner Kurier, Mittwoch, 11. Januar
    Toter Unternehmer aus Berlin
Mord im Nobelhotel
    Von Harald Sackowitz
    Berlin. Schockierender Fund am Abend: Im Luxushotel Adler hat der Zimmerservice gestern eine Leiche entdeckt. Der Tote, unbestätigten Informationen zufolge ein Berliner Unternehmer, wurde ermordet.
    Polizeiaufgebot gestern Abend vor

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