Triestiner Morgen
tailliert und raffiniert geschnitten, es betont ihre blendende Figur.
Sie scheint seine bewundernden Blicke nicht zu bemerken, setzt sich wieder, trinkt ihren Kaffee aus und greift nach ihrem Zigarettenetui. Dieses Mal ist er schneller und bietet ihr eine von seinen Zigaretten an.
»Nein danke, die sind mir zu stark. Ich rauche lieber meine eigenen.«
Er gibt ihr Feuer.
»Möchten Sie noch einen Kaffee? Probieren Sie mal einen caffé macchiato.«
Sie schüttelt den Kopf. »Keinen Kaffee mehr, danke. Aber ich könnte jetzt etwas Stärkeres vertragen.«
»Einen Cognac?«
»Eine gute Idee.«
Er winkt die mürrische Kellnerin herbei und bestellt zwei doppelte Cognac.
Der Schnellzug aus München ist gerade eingefahren. Das Lokal füllt sich. An der Theke herrscht jetzt wieder Hochbetrieb. Der Barkeeper hat keine Zeit mehr, die attraktive Blondine im Auge zu behalten. Aber hin und wieder schickt er doch noch einen wehmütigen Blick in ihre Richtung.
Die Kellnerin bringt zwei großzügig eingeschenkte Cognacschwenker.
»Cognac am Vormittag? Prost!« Die Schöne lächelt zum ersten Mal.
Wenn sie lächelt, sieht sie noch hübscher aus, denkt der Mann an ihrer Seite und schaut ihr tief in die Augen, als sie miteinander anstoßen.
Auch sie mustert ihn abschätzend und findet nicht nur sein schiefes Lächeln sehr charmant. Obwohl nicht mehr der Jüngste, ist er ein ausgesprochen gutaussehender Mann. Wenn er bloß nicht so ungepflegt wäre. Der säuerliche und leicht muffige Geruch, den er verströmt, ist ihr unangenehm. Sie rückt mit ihrem Sessel ein Stück von ihm weg.
Bestimmt ist er nicht verheiratet. Verheiratete Männer riechen nach Seife und Deodorant und sehen immer ordentlich und sauber aus.
»Komisch, Sie verreisen nicht und holen auch niemanden ab«, sagt sie plötzlich und es ist mehr eine Frage als eine Feststellung.
»Wieso finden Sie das komisch? Ich komme jeden Tag hierher, um zu frühstücken. Ich frühstücke nicht gern allein. Am Bahnhof finde ich fast immer Gesellschaft.«
»Sie meinen weibliche Gesellschaft?«
»Das haben Sie gesagt.«
»Aber Sie frühstücken doch nicht, Sie trinken Bier und Cognac.«
»Das ist mein Frühstück.«
Sie dämpft ihre nur bis zur Hälfte gerauchte Zigarette aus und greift sofort nach der nächsten. Ihre Hände zittern. »Und warum haben Sie sich heute ausgerechnet mich als Gesellschaft auserkoren?«
»Sie strahlen diese besondere Art von Unruhe aus, die Männer so reizvoll finden und die ihnen Mut macht, eine Frau anzusprechen.«
Sie lacht gereizt. »Diese stickige Luft! Bahnhofscafés sind im Winter immer überheizt.«
»Temperaturen wie im Hochsommer«, pflichtet er ihr bei.
»Die Klimaanlage dient wohl reinen Dekorationszwecken.«
Fast alle Tische sind besetzt. Schräg gegenüber an der langen Verkaufstheke stehen die Leute wieder Schlange. Die Dicke an der Kasse läßt sich nicht aus der Ruhe bringen. Es scheint, als würde sie um so langsamer kassieren, je länger die Menschenschlange wird.
»Reisende müssen ununterbrochen essen. Ist Ihnen das schon aufgefallen? Wahrscheinlich glauben sie, ihre innere Anspannung und all die Ängste, die das Reisen so mit sich bringen, mit Unmengen von Süßigkeiten und Sandwiches bekämpfen zu können.«
Er stimmt ihr lachend zu. Sein makelloses, strahlend weißes Gebiß lacht von allein.
Auch an der L-förmigen Bar stehen die Leute mit verschwitzten und geröteten Gesichtern in Zweierreihen. Beißender Zigarettenrauch umhüllt sie wie ein dichter Nebel.
Sie lassen ihren Ärger über die verspäteten Züge am Personal aus. Obwohl der Barkeeper allein hinter der Theke bedient, gelingt es ihm, seine ungeduldigen Gäste zu besänftigen.
»Sehen Sie die Heizkörper unter den Fenstern? Total verstaubt.« Sie rümpft die Nase. »Es stinkt richtig nach verbranntem Staub. Riechen Sie es nicht?«
»Nein. Ich habe nur einen betäubenden Duft in der Nase. Ich kann Ihnen diesen Geruch nicht beschreiben, ich finde keine Worte dafür. Es ist weder Chanel noch Guerlain, es ist dieser besondere lebenswarme Geruch blonder, hellhäutiger Frauen.«
Seine rotumränderten Augen sind feucht, genau wie seine Lippen, und seine Stimme klingt plötzlich heiser und erregt.
Obwohl ihr seine Worte schmeicheln, ärgert sie sich über diese weitere Unverschämtheit. Selbst einem Mann in seinem fortgeschrittenen Alter erlaubt sie keine solchen Anzüglichkeiten. Offensichtlich irritiert wiederholt sie: »Dieser Gestank ist unerträglich,
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