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Triestiner Morgen

Triestiner Morgen

Titel: Triestiner Morgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Kneifl
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im Alter nicht fett werden. Giorgio dagegen wird sein Bäuchlein nicht mehr lang unter seinen gut geschnittenen Sakkos verstecken können, und Livio kriegt jetzt schon Geheimratsecken. Außerdem hat er eine unmögliche Figur, ist unten breiter als oben. Ich habe noch nie einen Mann mit so schmalen Schultern gesehen. Noch dazu ist er ein kleiner Mann, er ist höchstens so groß wie ich, wenn nicht gar ein paar Zentimeter kleiner, und wenn er nicht aufpaßt, wird er bald genauso einen Buckel kriegen wie seine Mutter. Aber er hat etwas Dekadentes an sich, und das hat mich damals wohl gereizt. Um seine Stupsnase beneide ich ihn beinahe, finde ich doch meine eigene Nase etwas zu groß. Seine dünnen, farblosen Lippen sind jedoch richtig abstoßend. Ich lasse mich nicht gern von ihm küssen. Seine Küsse schmecken schal, außerdem stinkt er meistens aus dem Mund. Aber er versteht es, eine Frau zu verwöhnen und ihr das Gefühl zu geben, sie sei die Schönste von allen. Auch gestern abend machte er mir wieder die hübschesten Komplimente. Er wäre krank vor Sehnsucht nach mir, ich würde ihn schlecht behandeln, aber das würde mir zustehen, schließlich wäre ich seine stolze Gebieterin, und er nur mein armer Sklave. Ich höre solchen Quatsch ganz gern.
    Für heute nachmittag hat auch er sich ein Schäferstündchen ausgebeten. Drei Männer an einem Nachmittag sind aber selbst mir zuviel. Außerdem habe ich keine Lust, es noch einmal mit ihm zu probieren. Eine viel zu mühselige Angelegenheit. Das letzte Treffen in seiner Villa hat mir gereicht. Er war eine vollkommene Niete im Bett, ungeschickt und nervös, und dauernd dieser Streß, daß seine Mama plötzlich in der Tür stehen könnte, und dann stand sie ja auch dort. Nein danke!
    Unser Rendezvous wäre sicherlich nicht viel anders verlaufen, wenn wir uns, statt bei ihm zu Hause, in einem Hotel getroffen hätten. Wir haben es auch im ›Orient‹ schon miteinander versucht. Die gleiche Misere!
    Wenn ich mich für ihn als Vater meines Kindes entscheiden sollte, werde ich aber wohl oder übel noch ein paarmal mit ihm schlafen müssen. Vielleicht wäre er gar nicht der schlechteste Vater? Wenigstens ist er großzügig und nicht so arrogant wie Giorgio, der immer so tut, als wäre es eine Gnade, daß er sich dazu herabläßt, mit mir ins Bett zu gehen. Giorgio ist ein großer Egoist und ein furchtbarer Ehrgeizling. Trotzdem übt auch er eine eigenartige Faszination auf mich aus. Wahrscheinlich befriedigt er meine masochistischen Bedürfnisse. Manchmal will selbst ich mich einem Mann unterwerfen. Aber wirklich vernarrt bin ich nur in den verrückten Michele, und ein bißchen verliebt bin ich noch immer in meinen Enrico. Die anderen beiden können mir in Zukunft gestohlen bleiben.
    Im Bahnhofscafé sind nur wenige Tische besetzt. An der Theke stiert ein einsamer Trinker in sein Bierglas. Die Kassiererin leistet dem Barkeeper Gesellschaft.
    »Dieser Scheiß-Zucker macht mir ganz schön zu schaffen«, sagt sie so laut, daß es jeder im Lokal hören kann. »Wenn es nach diesen Kurpfuschern ginge, dürfte ich überhaupt nichts mehr essen.« Sie streicht mit ihren wulstigen Fingern über ihren Bauch und jammert weiter: »Aber dann freut mich das ganze Leben nicht mehr.«
    »Also, was soll ich dir bringen?«
    »Mein lieber Branko, wenn du wüßtest, worauf ich Appetit habe ...«
    »Ich kann es mir denken.«
    Sie grinsen sich verschwörerisch an.
    »Aber ich darf nicht. Bring mir zwei Tramezzini mit Thunfisch, obwohl mir, ehrlich gesagt, dieser Thunfisch schon zum Hals raushängt.«
    »Ich mach dir einen Toast.«
    »Den kannst du dir erst recht in die Haare schmieren. Nein, bring mir zwei Tramezzini und als Nachtisch eine ganz geile Cassata.« Sie zwinkert ihm zu und kehrt hinter ihre Kasse zurück.
    Der Barkeeper gibt ihre Wünsche an die Küche weiter. Der Weißhaarige, der jetzt allein am Tisch an der Wand sitzt und die kleine Unterhaltung mitangehört hat, wünscht ihr einen guten Appetit. Als seine schöne Tischnachbarin von der Toilette zurückkommt, funkeln ihre Augen böse, und aus ihrem Gesicht ist auch noch der letzte Rest von Farbe gewichen.
    »Warum müssen Bahnhofstoiletten bloß immer so versaut sein?«
    »Tut mir leid«, entschuldigt er sich mit betretener Miene, so als wäre er dafür verantwortlich.
    Sie zieht ihren Mantel aus.
    Er springt auf und hilft ihr. Seine Hände ruhen ein paar Sekunden zu lang auf ihren kräftigen Schultern.
    Ihr schwarzes Kostüm ist

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