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Triffst du Buddha, töte ihn! - Altmann, A: Triffst du Buddha, töte ihn!

Triffst du Buddha, töte ihn! - Altmann, A: Triffst du Buddha, töte ihn!

Titel: Triffst du Buddha, töte ihn! - Altmann, A: Triffst du Buddha, töte ihn! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Altmann
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beizustehen.
    Und natürlich gibt es die Pharisäer. Sie tun Gutes und sagen: »Um Gottes Willen«. So klingt ein Offenbarungseid, denn sie offenbaren, dass sie nicht um des »Nächsten Willen« eingreifen, sondern nur an ihr himmlisches Sparschwein denken. Jede gute Tat führt sie gleich eine Himmelssprosse höher. Die Bibel wie der Koran ermutigen ausdrücklich zu dieser Praxis für Scheinheilige. Dass auch viele Atheisten und Buddhisten als Heuchler unterwegs sind – muss ich es hinschreiben?
    Die vor gut zwei Jahren veröffentlichten Tagebuch-Aufzeichnungen von Mutter Teresa – »Komm, sei mein Licht!« – sind ein außergewöhnliches Zeugnis. Bereits in den 50er Jahren kamen ihr Zweifel an der Existenz Gottes. Kein göttliches Licht wollte mehr kommen. Bis der Zweifel Gewissheit wurde. »Der Himmel bedeutet nichts mehr, für mich schaut er wie ein leerer Platz aus.« Und es blieb dabei, bis zu ihrem Tod: »Der Platz Gottes in meiner Seele ist leer, in mir ist kein Gott.« Und doch arbeitete sie weiter, ebenfalls bis zu ihrem Tod. Was für ein fulminanter Beweis dafür, dass Menschenliebe vollkommen reicht, um sich vom Leid anderer aufwühlen zu lassen.
    Nach der Lektüre war mir die gebürtige Albanerin viel näher. Jetzt war der Heiligenschein dahin und darunter kam der Mensch zum Vorschein. Verwundbar, zweifelnd, suchend. Plötzlich war sie nicht mehr das Maskottchen von Herrn Wojtyla, der sie als katholische Einser-Schülerin vorführte und in die Kameras der Welt von der »unerschöpflichen Liebe Gottes« schwadronieren ließ, jetzt war sie eine unfassbar mutige Frau, die allem – Indiens maßloser Armut und dem Verlust einer Illusion – zum Trotz den Weg ging, für den sie sich einst entschieden hatte.
    Sarnath ist ein ansehnliches Städtchen, gespickt mit buddhistischen Tempeln. Die Thais, die Japaner, die Burmesen, die Tibeter, ja, die Chinesen sind hier vertreten, geben einen Einblick in die verschiedenen Strömungen des Buddhismus. Sarnath ist in keiner Weise repräsentativ für Indien. Etwa 0,5 Prozent der Gesamtbevölkerung bekennen sich heute zu dieser Philosophie, der Rest gehört mit erdrückender Mehrheit dem Hinduismus an, neben hundertzwanzig Millionen Moslems. Warum das so ist, hat verschiedene Gründe. Buddhas Lehre hatte anfangs durchaus Erfolge aufzuweisen. Der Brahmanismus, der Vorläufer der heutigen Hauptreligion, war erstarrt. Buddhas Reden, die sich gegen das Kastensystem aussprachen, gegen die abergläubischen Riten, gegen die Priester-Klüngel, solche Reden überzeugten.
    Doch irgendwann kam wieder die Sehnsucht nach hilfsbereiten Göttern zurück, die in Notfällen einspringen, um das Leben des Gläubigen aufzuräumen: Krankheiten zu kurieren, Geld ranzuschaffen oder eine Braut oder einen Bräutigam, ein Unheil abzuwenden oder ein Glück zu zaubern, eben alles, was ein Menschenleben an Sehnsüchten und Fährnissen ausmacht. Selbstverantwortung, wie von Buddha gefordert, ist eine Zumutung. Viel einfacher scheint doch, ein paar Gaben im Dorftempel zu opfern, um das Götterheer zu mobilisieren. Wobei die »Gottesmänner«, jene Männer, die der höchsten Kaste angehörten, bei jedem Opfergang die Hand ausstreckten. Um die Provision für ihre Mittlerdienste zwischen »unten« und »oben« einzustreichen.
    Der Todesstoß kam im 8. Jahrhundert. Als der Islam das Land überfiel, das wir heute Indien nennen. Friedliebend und tolerant schleiften und brandschatzten seine Eiferer vieles, was nicht zur Anbetung Allahs errichtet worden war. Beide, Hindu-Anlagen wie buddhistische Tempel und Klöster, blieben als Ruinen zurück. Von diesem Schlag, von diesen Schlägen, hat sich der Buddhismus auf dem Subkontinent nicht wieder erholt. Sarnath, nur ein Beispiel, verschwand unter wucherndem Gesträuch. Erst 1835 wurde es erneut von englischen Archäologen »entdeckt«.
    Ich finde ein Thinker’s Café , ein paar Stühle stehen unter einem Baum, daneben Arun, ein knorriger Alter, der Kaffee braut. Ich frage ihn, ob es sich unter Bäumen leichter denkt. »Maybe.« Ich bleibe sitzen und denke, dass es ein Segen für die Welt wäre, wenn es mehr Kaffeehäuser gäbe, die zur Inbetriebnahme des Hirns animierten, und weniger Gotteshäuser, wo das Hirn stillgelegt werden soll.
    Ich höre, dass sie hier einen Bahnhof haben. Ich mache mich auf den Weg. Als ich ankomme, vergesse ich für einen Moment, dass ich mich in Indien befinde. Ich frage naiv, wann der nächste Zug nach Varanasi geht, und keiner weiß

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