Triffst du Buddha, töte ihn! - Altmann, A: Triffst du Buddha, töte ihn!
hat was gehört, was die zwei anderen auch gehört haben (wollen). So wird aus Hörensagen die Wirklichkeit.
Nach einer halben Stunde kommen wir an. Durch den hübschen Sala Tree Park geht es zum Eingang der Anlage. Links die Souvenir-Buden, ein paar Schritte weiter befindet sich der Asho ka-Pillar, ein 1896 ausgegrabener, etwa sieben Meter hoher Pfeiler. Auf ihm wurde der erste Hinweis auf Buddhas Geburt an diesem Ort gefunden. Von Ashoka, dem zum Buddhismus konvertierten König, der weit über den Norden des heutigen Indiens herrschte. Das Problem: Der Mann lebte dreihundert Jahre nach Buddha. Auch sein »königliches Edikt« basiert auf mündlicher Überlieferung, nicht auf Urkunden und Dokumenten von Zeitzeugen. Aber in Indien macht das keinen Unterschied, hier interessiert man sich nicht für Geschichte, nur für Geschichten.
Direkt daneben liegt der Puskarini Pond , der »heilige Teich«, in dem sich Maya Devi, die Königin-Mutter, zu Beginn der We-hen badete. Andere behaupten, sie nahm das »Reinigungs-Bad« erst nach der Entbindung ihres Sohnes. Auch diese Frage bleibt wohl bis zum Ende der Welt ungelöst.
Das Zentrum der Anlage jedoch ist der Maya Devi-Temple , wo sich unter »kugelsicherem« Glas der Marker Stone befindet, ein Stein, der den genauen Ort von Buddhas Niederkunft markiert. Offenbar schreckliche Zeiten, die heutigen, denn sogar der Hinweis auf einen Toten, der seit 2500 Jahren tot ist, muss kugelsicher verwahrt werden.
Ich habe den Traum jedes egoistischen Reisenden. Dass ich jetzt allein sein darf, eine volle Stunde würde reichen, um die Anmutung dieses Hains zu spüren, zu genießen. Um Zeit zu finden, mich in die lang zurückliegende Vergangenheit zu träumen, mir auszumalen, wie es gewesen sein könnte. Ob nun der junge Siddhartha hundert Jahre eher oder später gelebt hat, wie belanglos. Und ob Frau Buddha ihn stehend oder liegend entbunden hat (auch darüber diskutieren Gelehrte, die gerade nichts Wichtigeres zu tun haben), noch belangloser. Aber dass einer in dieser Weltgegend unterwegs war und ein faszinierend neues, da gottloses Weltbild – kein Himmelsbild! – lehrte, das scheint wahrscheinlich und klingt noch immer wie eine Sensation.
Aber ich träume nur vom Träumen. Es funktioniert nicht. Mobiltelefone bimmeln durcheinander (eines mit Kanonendonner als Klingelton), Lehrer geben Kommandos, Kinder und Erwachsene schnattern, Devotionalienhändler schreien, die betriebsame Atmosphäre einer Lidl-Filiale freitagabends um 18 Uhr. Ich beneide jeden, den diese Seichtheit nicht anfranst. In dem Prospekt, dem Eintrittsticket beigelegt, kann man nachlesen, dass sich die zuständigen Autoritäten einen »Masterplan« ausgedacht haben, um Lumbini noch kaltschnäuziger zu vermarkten. An der Weltherrschaft des Profits rüttelt keiner. Auch kein Erleuchteter. Auch nicht an dem ihm zugewiesenen Geburtsort.
Ich bleibe der Unerleuchtetste weit und breit. Bei der Rückfahrt weisen die beiden Taxifahrer plötzlich darauf hin, dass »750 Indian Rupees«, nicht nepalesische, ausgemacht wurden. Was entschieden mehr bringt. Meinen Hinweis, dass wir uns in Nepal befinden, wir folglich über hiesiges Geld sprachen, lassen sie nicht gelten. Ich gebe den Kampf umgehend verloren, denn eine Diskussion mit Vernagelten wäre nichts als Raubbau kostbarer Lebenszeit. Ich sehe mir zu und begreife, dass mein Verhalten so unerleuchtet nicht ist. Hoffnungslosen Schlachten aus dem Weg zu gehen, sie als hoffnungslos zu akzeptieren, ist eher weise. Zudem handelt es sich um kein Vermögen, ein wenig Großzügigkeit kann nicht schaden. Auch dem Großzügigen nicht. (Einige Tage später recherchiere ich die Vornamen der beiden. Alok bedeutet »Siegesschrei« und Ajay »unbesiegbar«. Vielleicht stimmen ihre Namen nicht, vielleicht haben die zwei sie erfunden. Aber sie haben sich die richtigen ausgesucht.)
Die Leichtigkeit kehrt zurück, die Zöllner schieben (zögerlich) den Schein über den Tisch, ein Bus fährt zurück nach Gorakhpur. Dort umsteigen in die nächste Rostlaube, Richtung Kushinagar. Während ich meine Knochen rumpeln höre, fantasiere ich von einem einfacheren Leben. Da bin ich dann Shakespeare oder Karl May, könnte ununterbrochen an meinem Schreibtisch hockenbleiben (oder auf einer Gefängnispritsche) und müsste nie den Leib schinden. Und wüsste trotzdem, wie es im wilden Indien oder im wilden Kurdistan zugeht. Ich brauchte nichts als meinen Kopf. Der genial ist und mich in jeden Winkel der Erde
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