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Triffst du Buddha, töte ihn! - Altmann, A: Triffst du Buddha, töte ihn!

Triffst du Buddha, töte ihn! - Altmann, A: Triffst du Buddha, töte ihn!

Titel: Triffst du Buddha, töte ihn! - Altmann, A: Triffst du Buddha, töte ihn! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Altmann
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– so die sagenhaften Legenden über ihn – in Einklang mit sich und jedem in seiner Nähe lebte. Von früh bis spät, bis zum letzten Atemzug. Die Ausnahme eben. Wir anderen aber, wir rastlosen Schwächlinge? Wir Aufrechner und Vergelter?
    Im Tempelpark liegen über ein halbes Hundert Holzgitter, lang und breit wie ein schmales Bett. Tibetanische Mönche stehen davor und üben ihre Prostrationen. Wer nicht weiß, was da passiert, könnte denken, dass die hier Versammelten Trockenschwimm-Übungen durchführen: sich auf den Bauch legen, die Arme nach vorn legen, sie wieder heranziehen, aufstehen, die Hände nach oben strecken, wieder in die Knie gehen, wieder flachlegen. Und das Ganze von vorn, stets aufs Neue. Die Exerzitien sollen der »Reinigung des Geistes« dienen, sollen Ergebenheit bezeugen. Jeder Durchgang wird gezählt. Bis das tägliche Pensum erfüllt ist.
    Zwischen den Kniefälligen sitzt eine Tibeterin und streut Körner aus einem Eimer auf eine Art Teller, rührt einmal mit der flachen Hand darüber und drückt anschließend eine Stoppuhr. Als Nachweis, wie oft sie heute Körner auf eine Schale gestreut hat. Ich bin mit Lokesh unterwegs, einem Studenten, der mich angesprochen hat, um sein Englisch mit mir zu üben. Ich bitte ihn und er fragt die Eifrige, warum sie das tut. Sie weiß es nicht. Sie tut es, so die einzige Erklärung, weil sie »es immer tat«. Sie weiß aber, dass dadurch ihre »guten Taten vermehrt« würden.
    Fernöstliches Abrakadabra? Von wegen. Ich habe eine gute Freundin in Berlin, ebenfalls eine Getreue des (tibetischen) Vajrayana-Buddhismus. Aus Platzgründen wirft sie sich auf keinen Lattenrost, sondern vor ihren Hausaltar. Bei meinem letzten Besuch berichtete sie stolz, dass sie bereits »86 000 Niederwerfungen« erledigt habe. Eigenartigerweise hat sich an ihren Desastern, sie sagt es selbst, nichts geändert. Sie lamentiert wie eh und je über die Männer-Nullen, auf die sie via Internet hereinfällt, über den Job, über den Baum vor ihrem Küchenfenster, ihre Gewichtsprobleme. Da sie eine liebe Frau ist, teile ich stets meine tiefen Einsichten in die Welt mit ihr und verkünde kaltblütig, dass auch 86 Millionen spirituelle Bauchlandungen zu keiner Erleuchtung führen werden. Ja, nicht mal ein Licht, ein Lichtlein, wird ihr aufgehen. Die Gute ist dann beleidigt und wirft sich erst recht nieder.
    Mich wundert, woher diese Lust nach Erniedrigung kommt. Statt die Lust nach Würde, Grandezza und Selbstachtung zu fördern. Vor einem »Höheren« in den Staub? Grauenhaft diese hündische Demut. So grauenhaft wie Hochmut. Beides unerträglich.
    »Offener Raum, nichts Heiliges«, den Satz habe ich von einem buddhistischen Zen-Meister. Der klingt beruhigend. Offener Raum als Synonym für Freiraum, wo keine alteingesessenen Heiligkeiten diktieren, in welche Richtung die Suche gehen soll. Wo einer sich auf den Weg machen darf, ohne gleich von Sprüchen und Ritualen umzingelt zu werden.
    Etwas vollkommen Unvorhersehbares ereignet sich. Als Indienreisender kann man sich auf vieles gefasst machen. Aber was jetzt kommt, ist revolutionär. Für mich zumindest. Arglos beginnt es. Kurz nach der Verabschiedung von Lokesh spricht mich ein Mann an, der sich als Sanjog Kapur vorstellt. Er hat ein Flugblatt dabei, auf dem »Search for peaceful life« steht, ein Werbezettel für eine Privatschule. Hier unterrichten sie »Selbstvertrauen und besseres Denken«, aber auch »Geburtenkontrolle«. Der Mann kann nur intelligent sein. Er sagt, als hätte er meine Frage dazu erwartet: »Our religion is humanism.« Wer weiß eine schönere Religion als den Humanismus? Eine Gesinnung, die sich mit den humans befasst, den Menschen. Und ganz ohne Himmelreich auskommt. Nur nach einer Welt strebt, auf der ihre Bewohner gelassener miteinander umgehen.
    Das war jedoch nur Vorspiel. Irgendwann fragt mich der Inder, ob ich schon einmal von »Tantra« gehört hätte, jener sexuellen Fertigkeit des Mannes, nicht zu ejakulieren, sondern den Orgasmus »innerlich« zu erleben. Und das mehrmals, über Stunden hinweg. Ich antworte ausweichend, rede von vagen Kenntnissen, will zuerst wissen, warum er die Frage stellt. Und Mister Kapur erklärt Tantra als eine Möglichkeit, in tiefere Bewusstseinsschichten zu gelangen. Durch Verlangsamen des Akts würde eine geistige Ruhe entstehen, die einem inneren Wachstum förderlich sei. Beiden Beteiligten, allen Beteiligten. Natürlich erinnern mich seine Reden an den Dichter-Mönch

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