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Triffst du Buddha, töte ihn! - Altmann, A: Triffst du Buddha, töte ihn!

Triffst du Buddha, töte ihn! - Altmann, A: Triffst du Buddha, töte ihn!

Titel: Triffst du Buddha, töte ihn! - Altmann, A: Triffst du Buddha, töte ihn! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Altmann
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for our goodlooking, issueless, innocent divorcee, upper six figs./pm, 39 years old – but looks younger – boy a v. pre. and v. bea., hi. polished girl. Please reply with det. Bio-data, Horoscop & Photograph (must!). Caste no bar!«, aus dem Indischen übersetzt: Wir suchen für unseren gut aussehenden, kinderlosen, unschuldig geschiedenen, hoch sechsstellig pro Monat verdienenden, 39-jährigen – doch jünger aussehenden – Jungen ein sehr hübsches, sehr schönes, sehr brillantes Mädchen. Antworten bitte mit detailliertem Lebenslauf, Horoskop und Foto (unbedingt!). Kaste kein Hindernis! (Sprich: Die Bildschöne darf aus einer niedrigeren Kaste kommen als der Bildschöne.)
    Erfreulich ist, dass die führende Zeitung Indiens seit geraumer Zeit jedem Anzeigenkunden, der auf »soziale Vorbedingungen wie Religion, Kaste und Aussteuer verzichtet«, einen Rabatt gewährt. Ein Schritt in die richtige Richtung, um die religiöse Inzucht zu vermeiden, die gräuliche Tradition von höher und tiefer Geborenen, den sexistischen Wahn, dass junge Frauen, sprich ihre Väter, dafür bezahlen müssen, dass junge Männer sich ihrer erbarmen. Was jedoch geblieben ist (auch das erfreulich): Ob nun eine Brahmin-Familie annociert, ob nun Hindu, Christ, Sikh oder Moslem, allen gemeinsam ist die Suche nach einem »beautiful girl«. Oder einem »handsome boy«. Welchem Aberglauben sie auch folgen, auf Schönheit – hier auf Erden – wollen sie nicht verzichten.
    Ich weiß nicht, wie viele Väter ich in diesem Land kennengelernt habe, die mit den Fotos ihrer bereits (leicht oder weniger leicht) verwelkten Töchter durch Indien reisten, um den »Mister Right« zu finden, den einen, den letzten Willigen. Ein hartes Geschäft, denn die Trumpfkarte, die Schönheit, war schon verschwunden.
    Neue Fahrgäste kommen, irgendwann setzen sich Missis and Mister Chaudary neben mich. So stellen sie sich vor. Der Mann strahlt und ich muss ihn fragen, woher das kommt. Und der vielleicht 50-Jährige zeigt auf seine Frau und sagt: »Because I have my wife with me.« Das ist ein Liebessatz, er spricht ihn ganz cool aus, ohne Ironie, ganz ernst. Die Suchanzeige seiner Eltern liegt über fünfundzwanzig Jahre zurück und man kann nur jene bewundern, die der Liebe Dauer verschaffen, die sie behüten vor den Abgründen des Alltags.
    Wir reden, das heißt, ich frage und er antwortet. Die Wissenden sind meine Lieblingsopfer. Ich frage, warum Indien nicht aufersteht, warum – laut Regierungsstatistiken, die ja eher schönfärben – 77 Prozent der Bevölkerung, das wären knapp achthundert Millionen, mit zwanzig Rupien (40 Cent) pro Tag auskommen müssen. Für diesen Betrag gibt’s in einem hinter indischen Straßenrestaurant zwei Mahlzeiten und einen Softdrink. Leider klingt die Antwort stinklangweilig: »Die Regierung ist schuld.« Als ob sich der Premierminister weigerte, auf den »Anti-poverty-button« zu drücken. Als ob einer verantwortlich wäre und nicht alle.
    Kurz darauf aber wird der Mann ausgesprochen originell. Er erkundigt sich, wie ich Nicolas Sarkozy finde, »meinen« Präsidenten. Fest steht, dass Chaudary ihn nicht mag. »Wegen Carla.« Carla Bruni? »Genau, denn er hätte jemanden aus seinem Dorf nehmen sollen.« Das sind Sätze, für die man bereit ist, einen Tag zu hungern, so exotisch wild kommen sie daher.
    Für die Freude werde ich bestraft. Denn von Hajipur sind es fünfzehn Kilometer und neunzig Minuten Rikschafahrt durch einen der verstunkensten Orte auf dem Planeten. Eben durch Patna, das Drei-Millionen-Loch, die Hauptstadt Bihars, des heruntergekommensten Bundesstaats im Land. Es gibt nur diesen Weg, um zum Bahnhof auf der anderen Seite des Ganges zu gelangen.
    Und hier laufe ich auf den nächsten Absturz zu, ja freue mich noch, da der Zug nach Bodhgaya – Buddha soll dort erleuchtet worden sein – fast leer ist und in wenigen Minuten abfährt. Laut »Information Service«. Da ich noch immer unerleuchtet bin, glaube ich nur, was ich glauben will. Besonders gern die Märchen eines indischen Informationsdienstes.
    Aus den wenigen Minuten werden zweieinhalb Stunden – auf der Strecke gab es einen Unfall – und so hat noch eine weitere halbe Million Männer und Frauen Zeit, den Zug zu entern. Jetzt erfahre ich etwas Neues aus dem Land, denn nun schaffen sie das Gepäck wieder nach draußen, um es an den Fenstergittern anzubinden. Damit drinnen Platz wird für die Besitzer der Koffer. Ein paar Desperados vermuten, dass am anderen

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