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Triffst du Buddha, töte ihn! - Altmann, A: Triffst du Buddha, töte ihn!

Triffst du Buddha, töte ihn! - Altmann, A: Triffst du Buddha, töte ihn!

Titel: Triffst du Buddha, töte ihn! - Altmann, A: Triffst du Buddha, töte ihn! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Altmann
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Ikkyo Sojun und das Gespräch mit Manish im Zug. Doch der Japaner war ein lustiger, sinnlicher Mensch, Tantra hingegen ist eine tibetische Geheimlehre, die im Westen zu einer – wahrlich nicht einfachen – »Sextechnik« reduziert wurde.
    Selbstverständlich ist sie mehr als eine erotische Raffinesse, sie ist (auch) eine Geisteshaltung, die Männer davon überzeugen soll, dass Sex nicht beim Samenerguss anfängt und hinterher nicht dort aufhört. Die dazu verführen soll, die Intimität hinauszuzögern, den Beischlaf nicht als »quick business« zu begreifen, sondern als Spiel, das man nicht aufhören will zu spielen. Bedenkt man, dass in Deutschland – so ergaben letzte Untersuchungen – durchschnittlich dreieinhalb Minuten zwischen Penetration und »Finale« vergehen, dann wäre Tantra als Pflichtfach eine glänzende Idee.
    Das alles weiß Sanjog, der als »teacher and expert« auf dem Waschzettel unterschrieben hat. (Ok, von der Statistik in deutschen Betten weiß er nichts. Aber in indischen Schlafzimmern wird es ähnlich rasant zugehen.) Sanjog redet wie ein Eingeweihter, fängt tatsächlich an, mir, dem Weißen und Wildfremden, von den intimsten Praktiken mit seiner Frau zu erzählen, ja zieht ein Portraitfoto von ihr heraus. Ein attraktives Gesicht.
    Was bisher geredet wurde, ist in extremis noch »normal«, noch nachvollziehbar zwischen zwei Männern, die sich keine zehn Minuten lang kennen. Aber jetzt kommt das Revolutionäre, jetzt passiert das, was mir noch niemand in diesem Land geboten hat. Sanjogs Vorschlag ist absolut tabu für einen Inder (ja selbst in Europa wäre nur eine winzige Minderheit dazu bereit), so tabu, dass er ihn nicht einmal aussprechen würde. Nicht im Spaß, nicht als Witz. Aber er spricht ihn aus: »Wenn du magst, kannst du meiner Frau und mir zuschauen, wenn wir uns lieben.« Ich bin für drei Augenblicke sprachlos, dann setzt der vielleicht 35-Jährige nach, sagt: »Und wenn du willst, kannst du mitmachen.« Nach nochmals drei Augenblicken habe ich meine Fassung zurück, bin wieder der eiskalt Neugierige, der wissen will, wie weit er gehen kann: »Macht sie auch alles, ist sie ganz offen für die ganz intimen Sachen?« Und Sanjog nickt, lächelt eine Spur mitleidig, als wäre das nicht selbstverständlich.
    Was mir an dem Revolutionär (dem Wahnsinnigen?) gefällt, ist die verbale Eleganz. Kein hechelnder Pornoton entkommt ihm, kein billiges Augenzwinkern unter Kumpeln, die sich Zoten erzählen, nichts verdruckst Unappetitliches. Eher diskret, ruhig. Nach blitzschneller Bedenkzeit sage ich zu. Das will ich leben, das sind Begegnungen der dritten Art, die kommen wenige Male im Leben.
    Wir verabschieden uns, er muss zum Unterricht. Um 18 Uhr, hier vor dem Haupteingang zum Mahabodhi-Tempel, will er mich heute Abend abholen. Um mich zu seinem Haus zu bringen, ein paar Kilometer außerhalb der Stadt.
    In der Zeitung steht, Oprah Winfrey habe gestanden, wieder bei »two hundred pounds« angekommen zu sein. Bei neunzig Kilo. Und das, » obwohl ich schon so viel darüber geredet und gelesen, so viel gemacht habe. Und noch immer bin ich fett.« Wäre ich ein gemeiner Mensch, würde ich der Milliardärin 200 Niederwerfungen pro Tag in Bodhgaya verschreiben. Um die Pfunde wegzubrennen. Aber die Amerikanerin sagt etwas, was sehr vertraut klingt: Man schleppt ein Problem durchs Leben – ob nun Speckschwarten, Alkohol oder cholerische Anfälle – und wird es nicht los. Es folgt einem. Wie der Hintern. Irgendeine geheimnisvolle Blockade sitzt im Körper, irgendwo in der Seele.
    Auch deshalb bin ich wieder nach Indien gekommen. Auf der Suche nach Radikalität. Um es mit den eigenen Trieben aufzunehmen, den stets gleichen Niederlagen. Um mir selbst zu beweisen, dass Zustände veränderbar sind. Willenskraft reicht nicht, natürlich nicht. Ich muss tiefer, dahin, wo die Schalthebel sitzen. Wer die manipulieren kann, der dreht den Spieß um. Ich weiß es und habe es noch immer nicht verstanden. Ich rede wie die Oprah und komme nicht vom Fleck.
    Zum vereinbarten Zeitpunkt bin ich zur Stelle. Und warte auf den Mann, der mir heute so großzügig versprochen hat, mich zur Sinnenfreude einzuladen. Und warte um 18.45 Uhr noch immer. Kein Sanjog, keine Frau Kapur, nur Pilgermassen, die sicher nicht zu einem »threesome«, einem erotischen Trio, verabredet sind. Ich könnte jetzt lange darüber nachdenken, warum die germanisch-indische Liebesnacht nicht stattfinden wird. Ist der »Lehrer und Experte«

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