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Triffst du Buddha, töte ihn! - Altmann, A: Triffst du Buddha, töte ihn!

Triffst du Buddha, töte ihn! - Altmann, A: Triffst du Buddha, töte ihn!

Titel: Triffst du Buddha, töte ihn! - Altmann, A: Triffst du Buddha, töte ihn! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Altmann
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Tage zuvor per Leiterwagen vom Holzplatz geholt hatte.
    Mit einem Grinsen stecke ich den Nagel ein und nehme wieder die passende Stellung auf dem Kissen ein. Kein Funken Selbstmitleid entzündet sich in mir, eher Frohsinn und Dankbarkeit. Ich habe mich damals nicht entschuldigt. Und bin damals nicht zerbrochen. Anders der Amerikaner in dem Kloster von Kyoto, an den ich plötzlich denken muss, der sich in seiner Zelle erhängt hat. Wir hatten die Monate öfters miteinander geredet, damals war der Aufruf zum Silentium weniger streng. Sein freiwilliger Tod hat mich nicht überrascht. Oft klang der 41-Jährige bedrückt, düster. Er hätte Psychopharmaka schlucken sollen und nicht das Risiko eingehen, den Leichen seiner Kindheit – still sitzend, ganz und gar ungeschützt – zu begegnen. Vipassana (oder Zen) ist ein Korkenzieher und nicht alles, was ein Meditierender aus seinem bewussten oder unbewussten Gedächtnis zieht, veranlasst ihn zu Veitstänzen des Glücks.
    19 Uhr, day three discourse . Hat Goenka bereits über »Sila« gesprochen, die moralischen Aspekte von Vipassana, das Befolgen der fünf Basisregeln, schon ausführlich den Begriff »Samadhi« kommentiert, das Kreuz mit der Konzentration, eben die Kunst, sich auf das Jetzt zu fokussieren, so heißt das Thema heute »Pañña«, kühn mit »Weisheit« übersetzt. Jenes weise Wissen, das den Meditierenden dazu befähigt – so übermütig redet der Alte –, »seinen Geist zu reinigen«. Von allen Gier-Anfällen, jedem schwarzen Zorn, aller Geilheit, aller Skepsis, allem Ingrimm, aller Dummheit, jeder Faulheit, allem Größenwahn und allen Minderwertigkeiten. Wie soll das gehen? Es geht, weil er, der Schüler, endlich »Anatta«, die völlige Ich-Losigkeit, und »Anicca«, die völlige Vergänglichkeit, begriffen hat. So ausgerüstet würde man die Meisterschaft erlangen, eben »Erleuchtung«.
    Als ich das Wort »illumination« höre, muss ich sofort lachen. Um das Vergnügen zu steigern, spreche ich es halblaut aus: »I am illuminated.« Wieder lachen, noch unbeschwerter. Das ist einfach zu lustig. Wäre es kein DVD-Player, der zu uns spricht, ich würde nach vorne eilen und den Mann umarmen. Aus Staunen darüber, wie ein Mensch zu Beginn des 21. Jahrhunderts imstande ist, die Wörter »total purity« über die Lippen zu bringen.
    Mir geht es an diesem Abend umso besser, als ich mich am Nachmittag – wieder einmal – von der Utopie »rein« und »frei« und »erleuchtet« befreit habe. (Solche Befreiungsaktionen dauern, mit einer einzigen ist es nicht getan.) Befreit von dieser Hysterie, noch schnell vollkommen zu werden. Mir wurde klar, dass mich solche Ansprüche auch wütend machen, ja deprimieren. Nur als Aschehäuflein werde ich egofrei sein, werde ich aufhören, mein Recht zu fordern, meine Sternstunden auszukosten, an meinen Fiaskos und Holzwegen zu leiden.
    Wie wäre es mit einem Kompromiss: Ich suche hier nach Kraftquellen in mir, die mich ein paar Grade humaner machen, mir beistehen, ein paar Schichten Egomanie abzutragen. Um öfters zu kichern und in Tränen auszubrechen. Vor Lachen. Aber von der heiligen Buddhaschaft, von der will ich mich verabschieden.
    Ich habe als Reporter und Bürger zuviel Hass und zuviel Gewalt erfahren, sei es als Beteiligter, als Beobachter oder als Konsument der Medien, als dass sich meine Ansprüche im Laufe der Jahre nicht geändert hätten. Ich bin – wenig originell – etwas bescheidener geworden. Vor allem mir und meiner Begabung gegenüber, jeden und alle in meiner Umgebung, weit und breit, zu lieben. Doch der Wunsch, dass ich, dessen Leben sich beruhigend belanglos für den Lauf des Planeten abspielt, einen ach so bescheidenen Beitrag zur allgemeinen Menschenfreundlichkeit leiste, der ist geblieben. Trotz meines Erbguts, jener sechs Millionen Jahre blutiger Menschheitsgeschichte. Ich kann das Gewicht der Welt auf mir nicht abschütteln, aber ich kann möglicherweise lernen, sie leichter zu nehmen. Wäre das nicht eine Wohltat für alle, denen ich in Zukunft begegne?
    Selbstverständlich: Mein schlichter Anteil – wenn er denn gelänge – bliebe nur ein Rotz im Wind, wenn nicht andere ebenfalls das Bedürfnis verspürten, ihren wuchernden Egoismus zu zügeln. Ein wenig. Nicht mehr. Mit Aufrufen zur Liebe will ich jeden verschonen. Was für ein Scheißwort. Kennt jemand ein anderes, das gleich oft erniedrigt wurde? Nehmen wir lieber Wörter wie »Wohlwollen«, wie »Zuneigung«, wie »Respekt«, die

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