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Triffst du Buddha, töte ihn! - Altmann, A: Triffst du Buddha, töte ihn!

Triffst du Buddha, töte ihn! - Altmann, A: Triffst du Buddha, töte ihn!

Titel: Triffst du Buddha, töte ihn! - Altmann, A: Triffst du Buddha, töte ihn! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Altmann
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schwingen unaufdringlicher, scheuer, nicht so aufgeblasen und dreist wie »Liebe«.
    Hierher passt noch eine Anekdote aus dem Reich des Weißen Mannes. Vor kurzem stattete die Firma Mediamarkt ihre Verkäufer mit einem Schildchen aus, da stand: »Ich bin freundlich.« Als ich das zum ersten Mal sah, wusste ich nicht, ob ich jetzt losheulen oder loslachen sollte. Auf jeden Fall wurde mir bewusst, dass wir nun soweit sind: Die Unfreundlichkeit ist die Norm und die Freundlichkeit braucht den ausdrücklichen schriftlichen Hinweis. Wäre ich heute wieder einmal Diktator, ich würde die Sticker in die Mülltonne werfen und den stickerlos Unfreundlichen eine Woche Vipassana verordnen. Damit sie sich von neuem an diesen wundersam lindernden Zustand erinnern.
    Meine drei letzten Stunden vor Mitternacht sind voller Heiterkeit. Goenkas Insistieren auf »purify your mind, totally« geht mir nicht aus dem Kopf. Die Maßlosigkeit dieser Forderung bringt Bilder aus meiner Kindheit zurück. Wie jeder Pubertierende jagten mich Allmachtsvorstellungen, um mit der (allmächtigen) Wirklichkeit fertig zu werden. Ein Traum hieß Fleisch und Muskeln. Meine Klassenkameraden waren so freundlich, mich vor jedem Besuch des öffentlichen Schwimmbads daran zu erinnern, den Besenstiel nicht zu vergessen. Wozu? Um mich dahinter umzuziehen. Ich war nicht fadendünn, aber besenstieldünn. Und so setzte ich mich ins hinterste Eck der Wiese und träumte. Es war immer derselbe Traum: Mister Universum Arnold Schwarzenegger kam an unser Gymnasium, um ein Ten- Days-Super-Schwarzi-Workout durchzuführen. Natürlich hatte ich mich angemeldet. Schon ein Blick auf meine Waden genügte, um am Sinn des Lebens zu verzweifeln. Ich wollte sie radikal anders, eben männlich, ziseliert, griechisch makellos. Herbert hatte sich auch eingeschrieben. Er war der Dickste in der Klasse, er besaß mächtige Brüste und war vom Laufen im Sportunterricht suspendiert. Da sich seine Oberschenkel gegenseitig im Weg standen. Und nun wurde aus dem Traum ein strahlendes Märchen: Nach dem neunten Tag war ich auf dem Weg zum Ebenbild eines antiken Halbgotts und Herberts Oberkörper glich einem Panzerschrank. Kein Wunder, dass am nächsten Morgen Herr Schwarzenegger auf uns beide deutete, unmissverständliches Zeichen, dass wir zwei an den Vorwahlen für Mr Olympia teilnehmen sollten. Ich weiß nicht, wie oft ich aus diesem schönen Wahnsinn erwachen musste. Um wieder in der Realität aufzuschlagen, in der ich muskellos und verspottet zu Hause war.
    Der Zusammenhang – so viele Jahre später – mit heute Abend ist unübersehbar. So absurd der Anspruch ist, aus einem Rachitiker den nächsten Superbody zu modellieren, so absurd erscheint die Forderung, »vollkommen den Geist zu reinigen«. Eher werde ich der Pin-up-boy für bedürftige Prälaten im Vatikan, bevor ich meine Innenweltverschmutzung entsorge, »totally« entsorge. Würde Arnie, der Siebenfach-Mister-Olympia, mir einen Wadenmuskel-Zuwachs von einem Zentimeter garantieren, ich würde sofort wieder die Gewichte stemmen, sofort alles befolgen, was er anschafft. Nicht anders bei Goenka. Er soll mir ein weniger hehres Ziel anbieten, eines für Zeitgenossen, die spirituell zu keinen Heldentaten taugen. Sagen wir, ein paar Millimeter mehr Leichtsinn und noch ein paar zusätzliche Gramm Duldsamkeit. Himmel, wie reich ginge ich hier nach zehn Tagen vom Platz.
    Trotzdem, Vipassana wird jedem gut tun. Wie ein Frostschutzmittel wird es uns daran hindern, dass wir vereisen oder lebendigen Leibes ins Wachkoma kippen. Hinein in den Trott, in die Mühle mit den Mühlsteinen. Albert Einstein antwortete einmal auf die Frage, was ihn antreibe, was seine Neugier befeuere: »Es ist das unwiderstehliche Bedürfnis, dem täglichen Leben zu entrinnen, seiner schmerzhaften Oberflächlichkeit, seiner trostlosen Monotonie.« Naja, der kann leicht reden. Der war Genie, konnte nebenbei sogar Geige spielen.

VIERTER TAG
    Von Anfang an bin ich in Form. Der energische Abschied gestern vom voll gereinigten Supermenschen, der alles versteht, alles verzeiht, alles wegsteckt, brachte den Durchbruch. Ich bin wieder bei Normalgröße angekommen, bin wieder nur Mensch, nur einer, der lernen muss, mit seinen Gaben und Defiziten auszukommen. So ist mein Kopf einverstanden, er hält still, er richtet mich nicht mehr. Auch der Körper ist versöhnlich gestimmt, kein Knie jault, kein Knochen meldet sich. Minutenlang kann ich während der ersten zwei Stunden

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