Triffst du Buddha, töte ihn! - Altmann, A: Triffst du Buddha, töte ihn!
von seinen Instinkten. Aber ich fauche inzwischen wie ein Stier, merke, wie mir jetzt das Gesums von Verständnis und Nachsicht und Verzeihen hochkantig am Arsch vorbeigeht. Fuck Buddha, fuck Vipassana, fuck die Sprüche. Ich setze mir jetzt nicht die Pappnase »Holy Andrew« auf, ich lasse mich jetzt überwältigen. Keine Bremse wirkt mehr.
In dem Prozess werden bei GH Niederungen sichtbar, die wir ihr wohl beide nicht zugetraut haben. Als mein Anwalt die Mail vorliest, in der sie in unmissverständlichen Worten die Erstattung der Leihgabe ankündigt (»… zuerst einmal gebe ich dir die Kohle zurück, die du mir geliehen hast …«), genüsslich weiterliest und Wort für Wort wiederholt, was da steht (»… und weil ich dich sehr lieb habe, weil ich dich brauche, weil ich ohne dich nicht sein kann, weil ich ohne dich unglücklich bleibe …«), da entkommt der Beklagten eine Bemerkung, so wüst und unberechenbar wie ein Kugelblitz: »Herr Altmann ist gewaltbereit, nur aus Angst vor ihm habe ich das geschrieben.«
Ich werde den Moment nicht vergessen. Statt mit einem dankbaren Lächeln von ihr mein (kostenloses) Geld zurückzubekommen, sitze ich 1500 Kilometer von meinem Wohnort entfernt in einem Gerichtssaal und höre eine Frau, die mir einst »Ich liebe dich« ins Ohr wisperte, sagen, dass ich ein potentieller Schläger bin.
Martin Walser notierte einmal: »Wenn du kein Virtuose im Vergessen bist, verblutest du auf der Intensivstation Erinnerung.« Ich verblute gerade. Und es sprudelt noch heftiger, als ich das Messer weitertreibe und mich erinnere, mich erinnern muss, dass ich den Prozess verloren habe. Und die Berufung. Obwohl der Bruder der Geldhure, der mit uns – wenn ich auf Besuch kam – in derselben Wohnung lebte, vor Gericht der Behauptung der eigenen Schwester widersprochen hatte. Obwohl ich das schriftliche Eingeständnis der Schulden vorlegte. Alles für den Wind.
In einem meiner Bücher hatte ich über GH geschrieben. Damals nannte ich sie noch anders, zarter, hatte erwähnt, wie jeder Gedanke an sie mein Herz beschleunigte, schrieb: »Das Erste, was ich von dir hören werde, wenn wir uns wiedersehen, wird mein Herzklopfen sein.« Das tut es noch immer, nur kommt die Erregung jetzt aus einer anderen Richtung, jetzt klopft es aus Zorn, aus dem Gefühl der Ohnmacht. Schon erstaunlich, zu welchen Niederträchtigkeiten Geld führen kann. Unforgivable.
Wie ausgeliefert ich mich fühle. Zur Bitternis über diesen Menschen, der meine Hilfsbereitschaft missbrauchte, kommt die Bitternis über mich. Weil ich schon wieder das arme, derangierte Würstchen bin, das es nicht schafft, die Hinterhältigkeit zu vergessen und mit einem mitleidigem Grinsen ad acta zu legen. So kann man in der Hölle im Kreis laufen. »Nichts ist gefährlicher als deine unbewachten Gedanken«, sagen die Buddhisten. Wie wahr. Über 25 Monate liegt der Fall nun zurück und noch immer schwärt diese Frau wie eine Wunde in meinem Kopf. Noch immer bin ich nur Schrei, nur Fassungslosigkeit.
Vipassana strengt an, konfrontiert. Draußen in der Welt kann man – und ich tat es, wie es jeder tut – den Schmerzen davonlaufen. Ein Stück zumindest. Kann ein Beschallungsgerät anwerfen, einen Reefer inhalieren, sich an eine Liebhaberin (oder einen Liebhaber) schmiegen, in einem Kino verschwinden und Helden zuschauen, kann ein Bad nehmen und einen Liebesroman lesen. Oder sein Tagebuch öffnen und die Drangsal in Buchstaben übersetzen, kann schreiben, wenn alle anderen Fallschirme nicht aufgehen.
Hier in der Dhamma Hall kann man gar nichts. Nur lernen, dass man sein Leben annimmt, so wie es war. Auch die schäbigen Teile. Und weitergeht. Vielleicht noch plant, in Zukunftgeschult durch Sitzen und Atmen – klüger mit seiner Lebenszeit zu wirtschaften. Hätte ich damals, in den Jahren mit GH, schon intensiv meditiert, ich hätte sogleich die vielen Signale der Profitgier an dieser Frau bemerkt. Im Nachhinein erscheinen sie mir überwältigend deutlich. Aber ich sah nur, was ich sehen wollte. Derjenige, der sich noch nie in seine Trugbilder verirrte, der werfe den ersten Stein.
Nach einer guten Stunde lässt der Albtraum nach. Plötzlich fällt mir ein Amerikaner ein, den ich vor Jahren in Florida interviewt habe. Er war Wochen davor aus dem Zuchthaus entlassen worden. Als Unschuldiger. Aufgrund eines DNA-Tests, der eindeutig bewies, dass er nicht der Unhold war, der eine Frau vergewaltigt hatte. Die Erinnerung an den Mann erleichtert. Weil
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