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Triffst du Buddha, töte ihn! - Altmann, A: Triffst du Buddha, töte ihn!

Triffst du Buddha, töte ihn! - Altmann, A: Triffst du Buddha, töte ihn!

Titel: Triffst du Buddha, töte ihn! - Altmann, A: Triffst du Buddha, töte ihn! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Altmann
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reagieren jene, die weniger geben. Kein Wunder, dass sie mich beschäftigt.
    Bin ich wieder bei klaren, enthaltsamen Sinnen, dann reiße ich mich weg vom warmen Fleisch und kehre zurück ins indische Hinterland. Bin anstellig und folgsam. Für Minuten. Heute nach dem Mittagessen habe ich ein paar Wespen gesehen. Die kamen auch nicht weit in der Kunst der Meditation. Würde ich an Reinkarnation glauben, dann wäre ich sicher in einem früheren Leben eine Wespe gewesen. So wepsig ist meine Motorik, so fahrig und unkontrollierbar. Und jetzt, wenn ich heimlich die Augen öffne, sitzt dieser Ausländer, dieser Zen-Gott, noch immer da. Und zwei Reihen weiter meditiert dieser Inder, der nebenbei als Helfer arbeitet, verharrt wie ein Buddha-Denkmal, das vor Jahren hier vergessen wurde. Die beiden waren nie Wespen, sie waren Bäume mit gigantischen Wurzeln, tief in Mutter Erde verankert. Neid ist keine böse Eigenschaft, er ist nur hilfloses Stammeln angesichts einer Übermacht.
    19 Uhr, day four discourse . Goenka erklärt nochmals die (für uns) neue Technik. Natürlich fällt dabei öfters sein Lieblingswort »equanimity«, nein, »perfect equanimity«. Was immer wir an Empfindungen in unseren Körper vorfinden, was immer wir via »viññana« (Bewusstsein), »sañña« (Wahrnehmung) und »vedana« (Gefühl) erfahren, es darf nie in ein »Sankhara« münden, nie in: Das ist toll und das ist Quatsch! Das ist schön und das ist grottenhässlich! Das ist hinreißend und das ist zum Weinen blöd! Immer soll der Meditierende mit Gleichmut antworten, nie reagieren.
    Der Mann spricht von Höhen zu mir, in die ich mich nie versteigen werde. Vielleicht andere, ich nicht. Mein Ego soll verpuffen, das ist ein Witz. Aber trotzdem glaube ich dem Alten jedes Wort. Was ihn selbst betrifft. Er scheint sich im Himmel des absoluten Stoizismus auszukennen, er wirkt so milde, so desinteressiert an Gefallsucht, an Ichsucht. Lucky you , uns andere treiben noch viele Süchte. Möglicherweise hat mein Widerstand auch damit zu tun, dass ein solch wertfreier Zustand überhaupt nicht vorstellbar ist. Ich fühle Schmerz, also bin ich. Ich verliere, also bin ich, ich platze vor Freude, also bin ich, ich empfinde Todesangst, also bin ich. Wie soll ein Mensch sein, dasein in der Welt, wenn ihm die »Beweise« seiner Existenz abhandengekommen sind? Wie soll einer von seiner Existenz wissen, wenn er nicht liebt und nicht geliebt wird? Ja, nicht einmal hasst und von anderen gehasst wird?
    Hinterher gehe ich noch ein paar Mal im Garten im Kreis. Schwer eingehüllt, schwarz wie eine Schleiereule. Ich versuche alles und scheitere. Ich sollte gleichmütig bleiben und bin übermütig. Der Augenblick ist ein Vergnügen, eine stille indische Nacht ist ein Traum, Sternlein blinken, wie einem Kind fährt mir das Glück durch den Leib.
    Goenka erwähnte noch, natürlich, dass wir beim Scannen unserer Körperräume einmal mehr begreifen sollen, dass die wahrgenommenen »Sensationen« vergänglich sind. Juckt es einmal in der linken Wade, so juckt es beim zweiten Scannen nicht mehr, der Reiz ist verschwunden. Eben der Beleg, dass nichts bleibt, dass alles vergeht. Warum sich also seelisch verzehren? Warum anhaften oder abwenden, warum sich verausgaben mit psychischer Energie, mit einem Wort: Warum ein Verlangen kreieren, sprich Abhängigkeiten schaffen, die endlich sind, die verlöschen?
    Gestern sprach Goenka ja zum selben Thema. Er erwähnte folgende Analogie: Sehen wir eine Frau mit schönem Haar, dann sollen wir uns vorstellen, dass es vergeht, der Glanz verschwindet. Wie die Zähne, die gleich mitausfallen. Ist das die Lehre vom Leben im Augenblick? Ist das nicht ein seltsam bizarrer Widerspruch? Warum nicht das Schöne im Hier und Jetzt genießen? Auch dann, wenn man weiß, dass es verwittern und vergehen wird. Denn alle Reue ist ja noch peinsamer, wenn man begreift, dass man den Moment der Begeisterung vorbeiziehen ließ. Warum die haarlose und zahnlose Zukunft visualisieren? Nur um der Freude über das Schöne aus dem Weg zu gehen? Hätte ich heute Morgen, als ich die Nase in den Tau des Hibiskus steckte, »Pfui Teufel« ausrufen sollen? Statt einzuatmen und auf Fußspitzen (vor Sinnenlust) davonzutippeln? Soll ich hier auf ein »Nibbana« (Sanskrit: Nirwana) trainieren, wo alle unheilbar happy vor sich hindösen? Ist ein Leben ohne Herausforderungen nicht eine furchtbare Veranstaltung? Ist es so miserabel, unser Dasein, dass alles erstrebenswerter scheint,

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