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Triffst du Buddha, töte ihn! - Altmann, A: Triffst du Buddha, töte ihn!

Triffst du Buddha, töte ihn! - Altmann, A: Triffst du Buddha, töte ihn!

Titel: Triffst du Buddha, töte ihn! - Altmann, A: Triffst du Buddha, töte ihn! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Altmann
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zu nahe an den Bordstein kommt, die Honda sich überschlägt und die beiden aus knapp drei Meter Höhe auf den heißen Asphalt stürzen. Senkrecht nach unten. Augenblicklicher Tod. Hirnmasse liegt herum, oberhalb des Mundes hat es den Rest des Mädchenkopfes weggerissen. Ein Augenblick der Unachtsamkeit, zwei Tote.
    Ab 14 Uhr wird die Technik der Meditation erweitert. Ging es bisher darum, die Atmung ausschließlich auf die beiden Nasenlöcher zu konzentrieren, so erklärt nun Goenka den nächsten Schritt, den zweiten. Wie immer per Tonband. Die Erfahrung zeigt, dass die Schüler nach drei Tagen eine Spur ruhiger geworden sind, bereiter für anstrengendere Übungen. Ab jetzt soll jeder den ganzen Körper »scannen«, soll mit Atem und Konzentration oben bei der Schädeldecke beginnen, dort »hineinatmen«, soll registrieren, welche Empfindungen das auslöst, und soll so lange bei dieser Körperstelle bleiben, bis er etwas registriert. Denn jeder Teil fühlt, und wenn nicht, dann liegt es an der mangelnden Sensibilität des Meditierenden.
    Dann weitergehen, zum Gesicht, dem Hinterkopf, den Armen, den Händen, dem Hals, der Brust, dem Bauch, den Schultern, dem Rücken, den »lower parts« (sittsam für Geschlechtsteile und Gesäß), dann das linke und rechte Bein entlang bis zu den Zehenspitzen. Dann wieder von vorn, wieder oben anfangen.
    Beides ist bei Vipassana gleich wichtig: Die geforderte Konzentration und der Vorsatz, jede Empfindung wahrzunehmen, aber nicht zu reagieren. Was immer man an Gefühl in seinem Körper vorfindet, es soll mit Gleichmut zur Kenntnis genommen werden. Kein »Sankhara« soll entstehen, keine Reaktion, keine Wut und keine Ablehnung, kein Jubel und keine Freude. Nur neutrales Beobachten soll stattfinden, nur die Wirklichkeit soll einer zur Kenntnis nehmen und sich zu nichts »hinreißen« lassen. Zu nichts.
    Ich weiß sofort, dass ich das nicht schaffe. Ich habe die Gründe bereits beschrieben. Ich bin Mensch unter Menschen und kein gefühllos kasteiter Yogi in einer luftigen Himalaya-Klause. Ich soll einem Mann und einer Siebenjährigen beim Sterben zuschauen, ohne dass mein Herzmuskel an Geschwindigkeit zulegt? Wie das? Klar, meine Verstörung wird am Tod der beiden nichts ändern. Trotzdem, ich reagiere, alles andere scheint mir utopisch.
    Doch dieser zweite Part des schroffen Curriculums, eben jener, der einmal mehr mithelfen soll, konzentrierter und »gesammelter« mit seinem Leben umzugehen, der hat natürlich einen Sinn. Weil mit der Konzentration – jetzt von Kopf bis Fuß – die Vertiefung der Feinfühligkeit einhergeht. Wir damit die Welt und uns subtiler wahrnehmen. Was wiederum den Alltag bereichert. Wer kennt eine Freundschaft, eine Liebe, die inniger verläuft als mit einem Menschen, der »versteht«, der über einen inneren Reichtum verfügt, der es mit unserer eigenen Kompliziertheit aufnimmt?
    Um die Daumenschrauben anzuziehen, fordert Goenka nun »strong determination«, den unbeirrbaren Willen, die einmal eingenommene Körperstellung bis zur nächsten Pause zu halten, »bewegungslos mit geschlossenen Augen« (um nicht zu schauen, wie es den anderen geht). Man glaubt nicht, wie bescheiden man in seinen Ansprüchen auf Ablenkung wird. Schon sehen, wie jemand sein Kissen zurechtrückt, wird zur Aufregung.
    Ich bin ein schwacher Mensch, zudem geschlagen mit einer Narbe am linken Knie, Erinnerung an eine Meniskusoperation. Allein das reicht, um sich bei angewinkelten Beinen das Leid der Menschheit zu vergegenwärtigen. So gelingt die angemahnte »starke Entschlossenheit« nur zeitweise. Solange eben, bis der Drillbohrer in der (operierten) Kniescheibe herrisch nach einem Positionswechsel ruft. Und ich ihn ausführe und dann für Minuten ein Meister meines Fachs bin, mich unkorrumpierbar von allen Versuchungen durch die Regionen meines Körpers atme, ja wie ein Vipassana-Champion die Gegenwart nicht verlasse.
    Irgendwann, bald, hört die Meisterschaft auf und ich bin wieder versuchbar. Immerhin kommen die Bilder des Vormittags nicht mehr zurück, der Furor auf die Geldhure bedrängt mich nicht mehr, im Gegenteil, ich tagträume von meiner Freundin, die zu einer anderen Klasse Frauen gehört. Den weitherzigen, den splendiden. Ok, Vipassana ist das auch nicht, aber es ist das Leben. Statt keusch zu sitzen, liege ich neben der sonnenfarbenen Haut der Schönen. Seit ich sie kenne, gibt sie. So selbstverständlich, dass ich sie irgendeines Kalküls verdächtige. So kläglich

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