Triffst du Buddha, töte ihn! - Altmann, A: Triffst du Buddha, töte ihn!
drei Kasten-Klasssen darunter. Mich wundert, dass die Arbeit mit Vipassana bei den zwei Herrschaften kein Ergebnis gezeitigt hat. Wozu ein Atem-Künstler werden, wenn der Dünkel nicht schrumpft? Goenka verwies mehrmals auf die unverhandelbare Tatsache, dass jeder Mensch, so genial oder krummbeinig er auch sein mag, mit Wert und Ehrgefühl ausgestattet ist. Per se, per Geburt. Und dass Vipassana dabei helfen soll, diese so moderne Idee nicht aus den Augen zu verlieren. Nicht, weil wir sie uns vornehmen, sicher nicht, denn sie bliebe ganz und gar wirkungslos, sondern weil wir beim Meditieren, auf sinnliche Weise, erkennen, wie sehr wir einander ähneln. Mit unseren Abgründen, unseren Sehnsüchten, ja auch der Sehnsucht, das Leben eines anderen zu bereichern.
Ich bin fleißig, kann trotz des kurzen Schlafs still sitzen, bleibe in der Gegenwart und atme tadellos von eins bis zehn, genieße die Macht, die ich über mich habe, weil ich das tue, was ich für richtig halte. Klar, Irgendwann lässt die Hardcore-Konzentration nach und Gedanken nehmen überhand. Überraschenderweise fegen sie nicht durcheinander, sondern haben mit hier zu tun, mit Vipassana.
Als ich wieder diskret die Augen öffne, fällt mein Blick auf einen Inder, den ich für homosexuell halte. Auf Grund seiner Art, sich zu bewegen. Ich grinse, weil mir ein BBC-Beitrag einfällt, den ich kürzlich gesehen habe. Zwei anglikanische Bischöfe diskutieren darüber, ob Gott Schwule liebt oder nicht. Natürlich nicht. Narren unter sich. Drei Narren, wenn wir den närrischen Herrgott gleich mitzählen. Für Vipassana – ansonsten eher prüde – ist sexuelle Orientierung kein Thema, nicht wert eines Themas. Auch beim Stichwort »sexual misconduct« wurde nicht über eine Schwuchtelklausel gesprochen. Ein Mensch ist ein Mensch ist ein Mensch.
Heute ist der fünfte Tag und die Saat trägt Früchte. Ebben die Gedanken ab, gelingt es mir tatsächlich, das Hirn zu leeren, nicht auszuleeren, aber immerhin soweit zu beeinflussen, dass es Raum für neue Wege schafft. Dann entsteht diese Freude, die jeder spürt, wenn er vom Fleck kommt, wenn er »fort-schreitet«: Ideen fliegen mir zu, wie ich noch radikaler mein Leben entschlacke, noch konsequenter den Klimbim entsorge, mit dem wir unsere Existenz belagern. Ich will meine Jahre nicht mit der Verwaltung von »Konsumgütern« vergeuden, mich nicht erschöpfen bei der Suche nach »Service Centern«, wo sie den Schrott reparieren, den ich nicht brauche. Ich brauche Tickets, um abzuheben, Klamotten, Bücher, Hotelbetten, einen kleinen Weltempfänger und immer genug Geld, um geisttötende Tätigkeiten zu delegieren und keine Stunde das zu arbeiten, was mich nicht beflügelt. Vipassana als Kundenschutz. Es hellt auf, macht wachsam, vor jedem Kauf soll es mich ermahnen, für Sekunden die Augen zu schließen. Damit ich mir zuhöre. Und dann entscheide, ob ICH das Ding will oder die Werbeabteilung von Sony will, dass ich es will. Und wenn ICH, dann kaufen. Und wenn nicht, dann lässig davongehen. Es geht hier nicht ums Hohe Lied des armseligen Lebens. Ich bin nicht arm. Und arm sein ist widerlich. Ich begreife nur mit zunehmendem Alter, dass weltweit eine ungeheure Maschinerie installiert wurde, um uns mit Bedürfnissen totzumüllen, von denen wir vorher – vor Ankunft der Müllmänner – nichts wussten.
Ich verstehe, wenn einen 15-Jährigen andere Wünsche jagen, als auf einem Kissen auszuharren und seine Nasenlöcher zu inspizieren. Wer sich zu Vipassana entschließt, der tut das, weil das Maß an Irrwegen, Pannen und Pleiten voll ist. Ich weiß nicht mehr, wie ich die Zeit in dem japanischen Zenkloster überstanden habe. Aber damals war ich dreißig Jahre jünger, biegsamer, unschuldiger, konnte nachts heimlich die Stadt besuchen, die Sünde. Ich war mehr aus Abenteuerlust gekommen als aus der Einsicht heraus, dass Achtsamkeit – nur ein anderes Wort für inneren Halt – lebensnotwendig ist, »die Not wendend«. Jetzt habe ich genügend Niederlagen kassiert, um »Opfer zu bringen«: Meine verbogenen Knie, das Stechen im Rücken, diese Anfälle von Trübsinn und die bedrohliche Aussicht, dass nichts anders wird.
Auf dem letzten World Psychodelic Forum in Basel wurde erwähnt, wie der medizinisch kontrollierte Einsatz von LSD dem Patienten dabei hilft, seine Probleme genauer zu sehen, sie präziser zu benennen. Und gleichzeitig dafür sorgt, dass jene Emotionen (Angst, Schwermut, Hoffnungslosigkeit), die das Problem im
Weitere Kostenlose Bücher