Triffst du Buddha, töte ihn! - Altmann, A: Triffst du Buddha, töte ihn!
Massenvernichtungswaffe in der Geschichte der Menschheit. «Meisterlich formuliert. Prägnanter kann man die Verwüstungen nicht beschreiben, die eine Weltanschauung an der Erde verübt hat. Dieser atemlose Hunger nach materiellem Gerümpel, der wie ein Heuschreckenschwarm den Planeten leerfrisst. Und nebenbei, wieder als Massenwaffe, massenweise Hirn vernichtet. Längst global, längst imitiert von uns allen.
Ich habe keine Ahnung, was aus Govind geworden ist. Natürlich besaß er keine Anschrift, nur eine überdachte Veranda in einem Park, wo er schlief. Aber Wehmut ergreift mich jetzt, hier in der Dhamma Hall , als ich an ihn denke. Govind war von einer seltenen Wärme und Rücksichtnahme. Er wollte nie etwas beweisen, nie stärker und wichtiger sein als ein anderer. Dabei war er geistreich und voller Ironie. Auffallend jedoch, dass diese Leichtigkeit nie half, wenn es um seine Furcht ging, wiedergeboren zu werden. Wieder als Weißer, als Kanadier, mit noch weniger Liedern im Herzen. Damals wurde mir einmal mehr klar, wie fixe religiöse Ideen einem Menschen die Lebensfreude ruinieren können, wie sie als ätzender Mehlstaub sein Denken verpfuschen.
Mittagspause, essen, heimlich schreiben, dann hinaus in den Garten. Ich will nicht sterben, ich habe noch einiges vor. Aber auf die Wiedergeburt kann ich auch verzichten. Das eine Leben soll innig und bunt sein. Und dann für immer aufhören. Basta. Keiner weiß etwas, alle wissen nichts, jede Diskussion über die Zukunft nach dem Tod ist infantil und anmaßend. Die einen haben den Himmel mit achtzig Jungfrauen (supergeilen, vermutlich) erfunden, andere ohne Supergeile. Beim Erfinden der Hölle waren sie sich einig, die christlichen und die islamischen Erfinder: beide Male ohne die Supergeilen. Die Fernöstlichen fabulieren vom Mensch als Wiedergänger, einmal als Kuh, einmal als Ochse, einmal als schöne Prinzessin, einmal als Blut speiender Menschenfresser. Alles klingt nach mehr oder weniger törichten Kindereien, eher tauglich, das Niveau der Volksverdummung noch um einige Atü zu heben. Ich schlage vor, man predige mir von diesem Leben, dem einzigen, von dem wir wissen, dass wir es haben.
Man sollte fünfhundert »Tiefgläubige«, nein, fünfhundert Tiefstgläubige – ob sie nun ans paradiesische Vögeln glauben oder ans Auferstehen inmitten himmlischer Heerscharen oder an die nächsten tausend Wiedergeburten – zu einer Spritztour im neuen Airbus A 380 einladen. Und dann einen Absturz simulieren. Und ihnen, den Großgrundbesitzern der Wahrheit, zuschauen, wie sie mit beglückt-freudigem »Halleluja!«,»Allah Akbar!« und »Lang lebe die Wiedergeburt!« in den Abgrund rauschen. Von wegen. Kreischen würden sie vor Panik und Schrecken. Und irgendwann sollte man das grausame Spiel beenden und ihnen, den jetzt fünfhundert Bleichgesichtern, erzählen, dass sie gar nichts glauben. Aber alles glauben wollen . Getrieben von Angst, von Delirien der Angst.
Die Sonne strahlt inzwischen und alle gehen spazieren. Sich rühren und schauen ist eine dankbar angenommene Alternative zur Unbeweglichkeit mit geschlossenen Augen. Wir gehen aneinander vorbei, blicken aneinander vorbei. Keine »Beziehung« soll entstehen, kein »Anhaften«. Dennoch, jeden vollends zu ignorieren ist nicht möglich. Man sieht die Umrisse, die Gangart, hört den einen schlurfen, den anderen hinken, den Dritten zielbewusst ausschreiten. Man speichert alles, jagt die Daten durch den körpereigenen Computer und – verurteilt. Genau so. Bevor uns ein Lob entkommt, entkommt uns ein Tadel, eine abschätzige Bemerkung. Die Engländer haben ein intelligentes Wort dafür: »to belittle someone«, jemanden »klein« machen. Damit sich das eigene Ego narzisstischer rausputzt.
Schon möglich, dass ich mich irre, aber hier in dieser Umgebung mit dem gütigen Goenka, dem gütigen Harisingh, der Meditation, der Natur, hier lassen die Reflexe der Kritiksucht ein wenig nach. Ich kann (leider) nur von mir reden, aber noch immer verspüre ich kein Bedürfnis, nach jemandem zu spucken. Ja, sie gefallen mir, jeder in seiner Art. Auch die Westler. Keiner mit dieser Weihrauch-Visage, diesem betulichen Ausdruck jener, die sich auf dem rechten Weg wissen.
Für einen Besucher, der nie von Meditation und Vipassana gehört hat, müssen unsere Rituale befremdlich wirken. Er sieht meinen Nachbarn und mich jeden Morgen, Mittag und Abend unsere Zellen öffnen und schließen, sieht uns drei Meter voneinander getrennt stehen,
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