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Triffst du Buddha, töte ihn! - Altmann, A: Triffst du Buddha, töte ihn!

Triffst du Buddha, töte ihn! - Altmann, A: Triffst du Buddha, töte ihn!

Titel: Triffst du Buddha, töte ihn! - Altmann, A: Triffst du Buddha, töte ihn! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Altmann
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000 anderen Dörfer Indiens auch. Hier lebten etwa tausend Einwohner. Weit hinterm Mond, meist wundersam friedlich und sauber aufgeteilt in die typisch hinduistische Hackordnung der vier Kasten. Und der Kastenlosen, jene, die »beschmutzten« und die man deshalb nicht berührte. Und einen Brahmanen hatten sie auch, Shree Pandey, den Priester, er gehörte selbstverständlich zur ersten Kaste.
    Wir zwei mochten uns von Anfang an. In seinem Heuboden schlug ich mein Moskitonetz auf. Ich ertrug sein kümmerliches Englisch, das er an mir ausprobierte, und er ertrug meine tausend oder zweitausend Fragen. Tagsüber war ich mit den Mushavar unterwegs, den hiesigen Unberührbaren, den Rattenfängern. Und Rattenessern. Sie gruben ein ellenlanges Loch in die Erde, legten Stroh hinein, verstopften alle anderen Risse rundherum, zündeten das Stroh an und warteten. Bis eine von Todesangst getriebene Ratte durch das Feuerloch ins Freie floh. Dann packte der Jäger zu und schnitt ihr mit einer Rasierklinge den Unterzahn heraus. Um ihren Biss zu entschärfen. Die Ratten sollten leben. Damit sie nicht in der Nachmittagshitze verwesten. Abends starben sie dann, im Kochtopf unter freiem Himmel. Natürlich war ich eingeladen, bekam immer die Delikatesse zu essen, den Schwanz. (Mit desaströsen Folgen für mein Immunsystem, fünf Monate war ich nach meiner Rückkehr Patient im Institut Pasteur .)
    Den Morgen verbrachte ich immer mit dem first-class-Inder, dem Brahmanen. Wir frühstückten gemeinsam, er im Haus, ich im Hof. Distanz musste sein. Dabei war Mister Pandey kein Dracula, kein Menschenfresser, eher umgänglich. Aber ich war der »Mlechchha«, der Fremde, der Nicht-Hindu (genau genommen: der Nicht-Arier!), der fremde Unberührbare. Meine direkte Nähe hätte ihn »polluted«, verunreinigt. Was sonst?
    Nach dem Essen – und das ist der alleinige Grund, warum ich den Aufenthalt in Nighwan erwähne – meditierten wir zusammen. Er im Yogasitz, ohne Unterlage, ich auf »birmanisch«, mit einem Kissen zwischen Fersen und Gesäß. Und wieder getrennt, er drinnen, ich draußen. Ich fand das ungemein erheiternd, ungemein lehrreich. Selbst bei einer Tätigkeit, die (unter anderem) dazu beitragen soll, mit der Anmaßung von Hochwohlgeborenen und Untermenschen aufzuräumen, selbst dann noch kann einer von der Aufgeblasenheit seiner »holy scriptures« nicht lassen. Was lernen wir daraus? Gegen Dummheit, erst recht nicht gegen göttlich verordnete, ist kein Kraut gewachsen. Auch nicht das sonst so zuträgliche Heilkraut Vipassana.
    19 Uhr, day seven discourse . Goenka spricht von den »five friends«, die dem Meditierenden helfen können. Freund Nummer eins: Vertrauen in Buddha, aber ohne »blinde Hingabe« – Bravo, Guru! – und ohne hirnloses Jubeln, sondern immer konfrontiert mit »discriminatory intelligence«. Jener Gabe, die zu unterscheiden weiß, die zuerst prüft und dann akzeptiert. Oder verwirft. Die restlichen vier Freunde sind bekannt. Drei von ihnen haben wir hier in der letzten Woche kennengelernt: Anstrengung, Aufmerksamkeit, Sammlung. Und der fünfte Freund wäre Weisheit. »Wirkliche Weisheit«, die es versteht, mitten in den Niederträchtigkeiten des täglichen Lebens den (berühmten) Gleichmut zu bewahren.
    Ok, den kenne ich nicht, bin auch noch immer nicht von der Weisheit dieser Weisheit überzeugt. Will lieber bersten vor Lachen und Staunen, überlaufen vor Freude und Rage, will eben – so bescheiden gesagt – nur das tun, was mir gegeben ist. Und der hehre Unerschütterliche, der Fels in der Brandung, der Mister Supercool, der ist ganz offensichtlich nicht vorgesehen in meinem Genom.
    Zurück zum Diskurs. Irgendwann erwähnt Goenka, wieder einmal, die »total purification«, nach der wir streben sollten, die totale Reinigung. Im Busen, im Herzen. Er kann das Träumen nicht lassen.
    Wir sitzen noch immer in der Mini Dhamma Hall und ich grinse ihn zärtlich an, den rührigen Alten in dem Videorecorder. Weil mir plötzlich der Film Rio Bravo mit John Wayne einfällt. Wohl als Reaktion auf des Meisters Sprüche vom reinen Leben. Bei John W. kommt keiner ins Nibbana , bei ihm fliegen die Fäuste und die Kugeln. Big Egos unter sich. Die Erinnerung beruhigt mich, sie erzählt von einer Welt, die ich verstehe. Sie ist unrein und vertraut.
    Noch eine letzte Meditation, dann zurück in die Zelle. Launig lege ich mich auf mein Bett. Goenkas Reden wärmen, trotz der Tatsache, dass sie zum Einspruch aufrufen. Typen wie er sind

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