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Triffst du Buddha, töte ihn! - Altmann, A: Triffst du Buddha, töte ihn!

Triffst du Buddha, töte ihn! - Altmann, A: Triffst du Buddha, töte ihn!

Titel: Triffst du Buddha, töte ihn! - Altmann, A: Triffst du Buddha, töte ihn! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Altmann
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ein wunderbares Gegenstück zum Typ Volltrottel, von denen ich einen vor kurzem im Radio gehört habe, am Silvesterabend, an dem der »Finanzexperte« die Zuhörer aufforderte, ja noch vor Mitternacht eine »Order an der Börse zu platzieren«. Denn »eine Sekunde zu spät« könne unselige Folgen haben. Nicht, dass er einen Grund für die Dringlichkeit angegeben hätte. »Jede Sekunde zählt«, rief er uns noch zu. Nicht jede Sekunde Leben, nein, jede Sekunde Raffsucht.
    Wie wahr: Die Zeitgenossen, die uns zum Wahnsinn Wachstum aufhetzen, werden nicht aussterben. Sie schäumen vor Gier und wissen, dass wir ihnen so ähnlich sind. Aber die Zwischenrufer, die Störenfriede, sie werden auch nicht leiser. Sie erinnern daran, dass uns noch andere Sehnsüchte anrühren. Und dass wir verkümmern, wenn wir sie nicht hegen.
    »Du musst dein Leben ändern«, heißt das letzte Buch von Peter Sloterdijk. Noch ein Störenfried. Der Titel hört sich furchterregend pathetisch und zugleich so einfach an. Sich ändern. Darum geht es. Ändern unsere irre Lust, die Erde auszubeuten und totzuschlagen. Vipassana und unser »noble friend« Goenka wollen zu nichts anderem animieren. Sich ändern , wie lässig sich das hinschreibt. Wie kolossal es sich anfühlt, sobald einer damit anfängt.
    Ich liege auf dem Rücken, lese, döse, lese. Von draußen das Bellen der Hunde. Sie haben nie vom Dhamma gehört, sie jagt keine Habsucht, keine Sucht nach Haben, sie wissen nichts von Weitherzigkeit, sie müssen sich nicht täglich hundert oder dreihundert Mal fragen, ob sie das Richtige tun. Sie tun es. Ein Leben ohne Moral, immer amoralisch. Das würde ich auch gern leben, nicht für immer, aber einen Sommer lang.
    Nach den Hunden kommen die Schnarcher, die Schnarchtöne aus den Nachbarzellen. Skurrilerweise höre ich sie erst heute. Als Kind habe ich einen Kriminalfilm gesehen, in dem sich ein Verbrecher durch sein Schnarchen verriet. Und abgeführt wurde. Eine gerechte Strafe, dachte ich damals, wer schnarcht, muss ins Gefängnis. Ich lege das Buch weg und höre genau hin. Einer schnarcht, dann beginnt der zweite, irgendwann schnarchen alle. Als steckte einer den anderen an. Um endlich wie eine kleine Armee rüsselnd durch die Nacht zu ziehen.
    Früher habe ich sie gehasst, der Welt erste Schlafräuber, hätte ihnen gern zwangsweise Nasenlöcher und Münder verspachtelt. Heute greife ich seelenruhig zu meinem Paar maßgeschneiderter Silikonpfropfen, die wie Korken die Gehörgänge versiegeln. In diesen Augenblicken liebe ich das Abendland und seinen technischen Fortschritt. Er beschützt mich. Und sorgt für eine Wut weniger. Noch ein Fortschritt.

ACHTER TAG
    Seit drei Uhr lese ich. Aus Band 10 der Frankfurter Anthologie, herausgegeben von Marcel Reich-Ranicki. In »10. Jänner 1834« schreibt der Dichter Clemens von Brentano: »… Ach wo ist meiner Sehnsucht Braut …« Das ist so beruhigend an uns Männern, wir haben die immer gleichen Sehnsüchte, wir sind so überschaubar.
    Heute sind um 4.30 Uhr erst vier Leute anwesend. Wie vier Grabsteine auf weiter Flur sehen wir aus. Was nichts an der Einzigartigkeit der Stunde ändert. Wie eine sanfte Droge entführt die Stille in einen anderen Bewusstseinszustand.
    Meditieren kann wie Schreiben funktionieren. Zuerst lebt man etwas, und dann kehrt man an den Tatort – da, wo das Leben stattfand – zurück. Meditierend oder schreibend. Und während dieses Vorgangs sieht und erkennt man Details, Gefühle, Zustände, die man in der damaligen Wirklichkeit nicht wahrnahm. Weil es zu schnell ging. Oder man emotional zu geladen war.
    Auffallend wieder, wie bizarr durcheinander das Bewusstsein funktioniert. Als mich vor drei Tagen die Erinnerung an jene Frau überfiel, die mit meinem Geld davonging, kam mir mit keinem Gedankensplitter eine ganz ähnliche und doch ganz andere Geschichte zu Bewusstsein. Jetzt aber, ruhig und gesammelt in der Dhamma Hall , kommt sie.
    Sie ist schnell erzählt. Vor Jahren überwies ich einem Freund einen monatlichen Betrag, um sein Medizinstudium mitzufinanzieren. Wieder ohne Zinsen, nur mit der losen Vereinbarung, dass er ratenweise zurückzahlt, sobald er als niedergelassener Arzt verdient. Bernhard V., so soll er heißen, hatte über den zweiten Bildungsweg das Abitur gemacht. Mir gefiel seine Kraft, sein resoluter Entschluss, den Beruf auszuüben, den er liebte.
    Alles ging seinen Weg: Staatsexamen, Arbeit in einer Klinik, Bankkredit für die Übernahme einer

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