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Trigger - Dorn, W: Trigger

Titel: Trigger - Dorn, W: Trigger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wulf Dorn
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der Realität vorzog. Ich meine, es muss doch unerträglich sein, wenn man den Tod eines Menschen miterlebt und dabei auch noch überzeugt ist, man habe ihn selbst verschuldet.«
    »Und seither war Herr Böck nicht mehr ansprechbar?«
    Ellen schüttelte den Kopf. »Er schien sich nach dem schrecklichen Unfall in eine ferne Welt geflüchtet zu haben, die sich irgendwo hinter seiner Stirn befand. Sein Bettnachbar nannte ihn deshalb sogar Herrn Niemanddaheim.«
    Sie nahm nun doch einen Schluck von ihrem Kaffee und verzog das Gesicht. Zu kalt, zu stark, zu süß. Aber wenigstens hatte das Zittern ihrer Hände nachgelassen.
    »Ich glaube, ich weiß, warum er vorhin so heftig reagiert hat«, meinte Mark und legte die Akte auf den Tisch zurück. »Jetzt, da ich seine Geschichte kenne und sie mit dem zusammenbringe, was er mir in seiner Aufregung erzählt hat, ergibt das alles einen Sinn.«

    Ellen hob neugierig die Brauen. »Ein weiterer Schock?«
    »Etwas in der Art, ja. Ich denke, Herr Böck hat uns das demonstriert, was man als die Folge eines sogenannten Trigger -Effekts bezeichnet. Dieser Auslösereiz nach posttraumatischen Belastungsstörungen war Teil meiner Dissertation. Darauf hätte ich eigentlich schon vorhin im Badezimmer kommen müssen. Und ich Idiot habe ihn auch noch provoziert, damit er seine Emotionen auf mich konzentriert. Das hätte verdammt ins Auge gehen können.«
    Ellen winkte ab. »Jetzt hör aber auf. Du konntest es nicht wissen. Wenn vorhin wirklich etwas Schlimmes passiert wäre, hätte allein ich daran Schuld gehabt. Zum einen, weil ich nichts von seinem Ausrasten mitbekommen hatte, und dann bin ich auch noch zu spät dazugekommen. Außerdem war Böcks spontane Überreaktion keinesfalls vorhersehbar. Was auch immer da mit Marion vorgefallen sein mag, ich hätte nie damit gerechnet, dass Böck derart ausrastet.«
    »Da magst du Recht haben«, sagte Mark, wirkte aber nicht wirklich überzeugt.
    »Natürlich habe ich das.« Ellen grinste ihn an. »Frauen haben immer Recht, wusstest du das nicht?«
    Er hüstelte. »Na ja, da fehlt es mir wohl an Erfahrung. Aber mal im Ernst, genau diese Unvorhersehbarkeit ist für mich das Faszinierende an diesem Thema. Der Betroffene verdrängt ein schlimmes Erlebnis, und das geht manchmal so weit, dass er all seine Kraft dafür aufwenden muss und deshalb auf sein Umfeld wie erstarrt wirkt. Während meiner Doktorarbeit hatte ich mit Mädchen und Frauen aus dem Kosovo zu tun, die die Hölle durchgemacht hatten. Krieg, Tod, Folter, die ganze Palette. Einiges von dem, was
ich damals zu hören bekam, geistert mir noch heute durch die Träume.«
    »Das glaube ich dir gern. Aber wie musste es dann erst diesen Frauen gehen.«
    »Viele waren wie leblose Puppen. Als ob sich ihr Bewusstsein auf eine Reise mit ungewisser Wiederkehr verabschiedet hätte. Andere erfanden sich ihre völlig eigene Realität. Sie waren fest davon überzeugt, ein Picknick mit Freunden gemacht zu haben oder mit der Familie bei der Feldarbeit gewesen zu sein. Eine Vergewaltigung oder den Tod ihrer Angehörigen gab es für sie nicht.« Mark griff ganz beiläufig nach einer weiteren Zigarette. Erst als er bemerkte, dass er im Begriff war, sie sich anzustecken, sah er sie abwägend an und schob sie dann in das Päckchen zurück. »Aber gerade bei denen, die wie erstarrt wirkten, machte ich mir die meisten Sorgen. In ihnen hat es gewaltig gearbeitet, das war geradezu spürbar. Wie in einem Dampfdrucktopf, der irgendwann explodiert, wenn man den Dampf nicht vorsichtig ablässt. Und ebenso scheint es Herrn Böck ergangen zu sein. Er stand seit dem Vorfall unter immensem psychischen Druck. Sein innerer Schutzmechanismus arbeitete auf Hochtouren, während er nach außen hin teilnahmslos und abwesend erschien.«
    »Aber was war deiner Meinung nach der Auslöser für diesen Ausraster? Was hat Marion getan?«
    »Böck hat mir in seiner Hysterie gewissermaßen die Erklärung geliefert. Erinnerst du dich, was er gerufen hat?«
    »Natürlich. Er war davon überzeugt, wir würden ihn zwingen, seine Frau zu essen.«
    »Exakt. Vielleicht hat er es tatsächlich geschafft, das Bild des zerschmetterten Körpers seiner Frau aus der Erinnerung
zu verbannen, aber an dessen Stelle rückte nun ein anderes. Gewissermaßen eine Assoziation. Und die muss Marion bei ihm angesprochen haben.«
    »Und welche?«
    »Es ist zur Essenszeit passiert, und es muss auch mit Essen zu tun haben, sonst hätte Böck nicht diesen absurden

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