Trigger - Dorn, W: Trigger
… ich koche gern für … nette Leute.«
Er sah irgendwie süß aus, wenn er verlegen war, fand Ellen.
»Ich werde darüber nachdenken«, versprach sie, und als sie merkte, dass sie ihn damit nur noch verlegener machte, beschloss sie, auf den eigentlichen Grund ihres Treffens zurückzukommen. Sie schob ihren Teller von sich und beugte sich vor. »Also, was meinst du? Wie könnte man an diese Frau herankommen?«
Der Themenwechsel erzielte die gewünschte Wirkung. Mark nahm wieder eine entspanntere Haltung an. Er legte die Stirn in Falten und rieb sich nachdenklich die Nase.
»Wird nicht einfach sein. Du hast vorhin diesen Kinderreim erwähnt, und ich musste kurz darüber nachdenken, ob vielleicht ein Kind mit der Misshandlung zu tun haben könnte. Also eine zweite Person, um die wir uns ebenfalls Sorgen machen müssten.«
Ellen fuhr zusammen. »Himmel, daran hatte ich noch
gar nicht gedacht! Aber es wäre durchaus möglich. Der Mistkerl könnte nicht nur sie, sondern vielleicht auch ihr Kind misshandelt haben.«
Mark nickte und winkte gleichzeitig ab. »Das wäre nicht selten, aber ich glaube, es ist in ihrem Fall nicht zutreffend. Da sie vom Schwarzen Mann gesprochen und sich selbst wie ein Kind benommen hat, denke ich, es handelt sich nur um sie selbst.«
Diese Erklärung stellte Ellen nicht wirklich zufrieden. »Und warum?«
»Weil es sich um einen Kinderreim aus unserer Jugend handelt und du gesagt hast, die Frau müsse etwa in unserem Alter sein, vielleicht auch ein bisschen älter.«
»Ja, schon, aber ich verstehe nicht ganz, worauf du hinauswillst?«
»Ganz einfach. Die political correctness. Heutzutage versuchen wir den Kindern beizubringen, dass der Schwarze Mann eine Diskriminierung darstellt. Genau so, wie man nicht mehr Mohrenköpfe, sondern Schokoküsse isst. Der Nachbar aus Afrika ist allerhöchstens ein Dunkelhäutiger, und der Schwarze Mann ist zum Wilden Mann oder vielleicht auch zum Bösen Mann geworden, ganz gleich, ob mit schwarz ursprünglich wirklich die Hautfarbe gemeint war. Das mag sich zwar noch nicht überall durchgesetzt haben, aber ich denke trotzdem nicht, dass deine Patientin ihr Kind zitiert hat. Nein, sie greift auf etwas zurück, an das sie sich selbst erinnert.«
»Glaubst du?«
»Ja, glaube ich. Abgesehen davon sind solche Kinderreime im Zeitalter der Videospiele und der Jugendsprache nicht mehr sonderlich populär. Würde sie unterschwellig
auf ihr Kind aufmerksam machen wollen, würde sie etwas Zeitgemäßes wählen. Eine Acht- oder Zehnjährige in der heutigen Zeit wäre eher auf der Flucht vor dem Kettensägen-Psycho, vor Freddy Krueger oder sonst einer Horrorfilmfigur. Falls du mir nicht glaubst, dann hospitiere mal ein paar Tage in der Jugendpsychiatrie. Nein, wenn du mich fragst, dann hat sich diese Frau aus Angst in ihre eigene Kindheit geflüchtet, in eine Zeit, in der man sich verletzlich und ängstlich zeigen durfte. Ganz so, wie du es selbst schon vermutet hast.«
»So wie diese Frauen aus dem Kosovo, von denen du mir erzählt hast? Hattest du da einen ähnlichen Fall?«
Mark nahm einen Schluck Bier und nickte. »Nicht nur einen. An eine Frau erinnere ich mich jedoch besonders gut. Sie muss ungefähr zwanzig gewesen sein. Ihr Heimatdorf war von Freischärlern überfallen und zerstört worden. Sie selbst war angeschossen worden, während der Rest ihrer Familie im Kugelhagel ums Leben kam. Wie ich später erfuhr, hatte sie sich für etliche Stunden unter der Leiche ihrer Mutter versteckt und tot gestellt. Währenddessen saßen die Mörder am Esstisch und aßen das Mittagessen, das die Mutter kurz vor dem Überfall aufgetischt hatte. Als ich diese junge Frau das erste Mal sah, hatte sie an diese Ereignisse keinerlei Erinnerung. Sie behauptete, mit ihrem kleinen Bruder auf einer Wiese gespielt zu haben, und als ich sie nach dem aktuellen Datum fragte, gab sie an, es sei zehn Jahre früher.«
»Konntest du ihr helfen?«
Er zuckte mit den Schultern. »Nun ja, so gut man ihr eben helfen konnte. Irgendwann fand sie in die Gegenwart zurück, aber bis dahin war es ein steiniger Weg, wie man so
schön sagt. Leider habe ich nicht mehr erfahren, was später aus ihr wurde.«
Ein Kellner kam an den Tisch, räumte mit ausdrucksloser Miene die Teller ab und fragte, ob er ihnen noch etwas bringen könne. Mark bestellte ein weiteres Bier, Ellen lehnte jedoch dankend ab. Ihr Heißhunger von vorhin war ihr bei diesem Thema vergangen. Sie spürte ein leichtes Stechen in den
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