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Trigger - Dorn, W: Trigger

Titel: Trigger - Dorn, W: Trigger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wulf Dorn
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wie zutreffend der Name des Krankenhauses war. Ein junger Kollege aus Hamburg, der vor gut einem halben Jahr auf Ellens Station hospitiert hatte, hatte die Klinik als eine »idyllische kleine Stadt mitten im Wald« bezeichnet, und tatsächlich hätte er sie nicht besser beschreiben können.
    Die meisten der Fassaden standen unter Denkmalschutz. Sie stammten noch aus Anfangstagen zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts, als die Klinik die amtliche Bezeichnung Kreisirrenanstalt trug.
    Im Lauf der folgenden Jahrzehnte war die Klinik weiter gewachsen, und die neu hinzugekommenen Gebäude waren, dem jeweiligen Zeitgeist entsprechend, sehr unterschiedlich ausgefallen. So gab es schmucklos hochgezogene Bauten, die während des Wirtschaftswunders entstanden sein mussten, sowie Flachbauten im typischen Stil der Siebziger – einer Zeit, in der man, wie Zyniker behaupteten, am liebsten auch noch die zugehörigen Möbel aus Beton gegossen hätte.
    Am markantesten war sicherlich das Versorgungszentrum, ein gewaltiger Komplex aus dem Jahr 1980, der auf den ersten Blick einem Fabrikgebäude ähnelte. Darin befanden sich eine gigantische Heizungsanlage, die Großküche, die Wäscherei, eine Apotheke und viele weitere Funktionsbereiche, welche die Klinik autark von ihrem Umfeld machten. Dahinter erstreckte sich das Areal der klinikeigenen Gärtnerei, die – abgesehen von ihrem eigentlichen
Zweck, die Küche mit frischem Gemüse zu beliefern – auch als Teil der Arbeitstherapie für Patienten genutzt wurde.
    Geeint wurde dieser architektonische Mischmasch durch den waldähnlichen Klinikpark, in dem sich neben einigen Anpflanzungen auch ein Minigolfplatz und eine Sportanlage befanden.
    In dieser Nacht erschien Ellen das Klinikgelände jedoch keineswegs wie eine idyllische kleine Stadt mitten im Wald. Während sie mit offenem Verdeck in Richtung Wohnheim fuhr, hatte sie vielmehr den Eindruck, sich in einer Art Geisterbahn zu befinden.
    Über ihrem Kopf rauschte das düstere Geäst der Bäume wie das Flüstern zahlloser Stimmen. Die Lichter der Straßenlampen warfen langgezogene Schatten auf den Asphalt. Manche glichen deformierten Köpfen, von denen Ellen zwar wusste, dass es sich um die Schatten der Wegbepflanzungen handelte, die ihr aber dennoch ein mulmiges Gefühl verursachten.
    Weiter entfernt hörte sie ein dumpfes Grollen, das sie an ein knurrendes Tier erinnerte und das aller Wahrscheinlichkeit nach von nichts anderem als einem hoch über ihr dahinziehenden Flugzeug stammte.
    Doch all die rationalen Erklärungen halfen ihr nicht wirklich über die Beklemmung hinweg, die sich in ihr ausbreitete. Denn für ein Gefühl fand sie keine Erklärung: Irgendwie war ihr, als werde sie von jemandem aus der Dunkelheit beobachtet.
    Das ist ausgemachter Unsinn, schalt sie sich. Trotzdem wünschte sie sich, sie hätte das Verdeck an diesem Abend nicht geöffnet.
    Als sie die Abbiegung zum östlichen Rand des Geländes
entlangfuhr, erschrak sie derart, dass sie eine Vollbremsung hinlegte. Ungefähr hundert Meter vor ihr schien eine hochgewachsene Gestalt neben einem Baum zu stehen. Ein großer, schlanker Mann.
    Ein schwarzer Mann.
    Ellen schaltete das Fernlicht ein, und sofort musste sie vor Erleichterung lachen.
    »O Mann, ich bin wirklich reif fürs Bett«, sagte sie zu sich selbst und fuhr an dem neuen Wegweiser zur Abteilung für Neurochirurgie vorbei.
    Die Erleichterung über die kleine optische Täuschung hielt jedoch nicht lange an. Ihr Eindruck, beobachtet und verfolgt zu werden, wollte sich nicht abschütteln lassen.
    Endlich kam sie auf dem Parkplatz vor dem Personalwohnheim an. Hastig schloss sie das Verdeck ihres Wagens und lief zur Eingangstür, wo sie bereits sehnsüchtig erwartet wurde.
    Als Sigmund sie kommen sah, erhob er sich würdevoll und begrüßte sie mit einem krächzenden Miauen.
    Ellen sah sich noch einmal um und ließ den Blick über das Gelände schweifen. Es war zu dunkel, um etwas Genaueres zu erkennen, daran änderten auch die Wegleuchten nichts.
    »Da ist niemand«, beschwichtigte sie sich selbst. »Das bilde ich mir nur ein. Mark hat Recht, ich sollte mich ausruhen.«
    Wie um ihr dies zu bestätigen, stupste sie Sigmund mit dem Kopf gegen das Schienbein. Der alte Streuner hatte vor einigen Monaten mit ihr Freundschaft geschlossen, als er eines frostigen Winterabends vor ihrer Terrassentür gestanden und Ellen ihm Unterkunft und eine Schüssel
Milch angeboten hatte. Seither ließ er sich in unregelmäßigen

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