Trigger - Dorn, W: Trigger
einem Zwinkern, das ihn schon zu seinen Lebzeiten sympathisch gemacht hatte .
Ich befinde mich in einem Luzidtraum, nicht wahr?
Zufrieden nickte der Professor. Sie waren stets meine Beste, Ellen, und sind es immer noch. Ja, dies ist ein Luzidtraum, ein Traum, den Sie bewusst erleben und beeinflussen können. Sie können seinen Ablauf steuern. Sie können hier alles steuern, nur eines nicht: Ihr Erwachen. Also, machen Sie das Beste daraus.
Er wandte sich zum Gehen.
Nein, bitte bleiben Sie, bat Ellen. Lassen Sie mich nicht allein.
Das kann ich nicht, entgegnete Bormann. Ich bin nur der Prolog, wenn Sie so wollen. Es ist Ihr Traum, nicht meiner. Irgendwann erlebt jeder von uns den Moment, in dem er das Gelernte zum ersten Mal auf sich allein gestellt einsetzen muss. Dann ist es für den Lehrer an der Zeit zu gehen.
Kaum hatte er ausgesprochen – hatte er dabei überhaupt die Lippen bewegt? -, wurde Bormanns Gestalt undeutlich und immer transparenter, bis sie schließlich ganz verschwunden war.
Verunsichert sah Ellen sich um. Also gut, es war ihr Traum.
Dann wollen wir mal sehen.
Ihr boten sich zwei Möglichkeiten. Welchen Gang sollte sie nehmen, den rechten oder den linken?
Sie fror, und als sie an sich herabsah, stellte sie erschrocken fest, dass sie splitterfasernackt war.
Ein weiterer Indikator dafür, dass dies hier ein Traum sein
muss, dachte die Analytikerin in ihr. Die symbolisierte Peinlichkeit, sich im Angesicht einer bestimmten Situation nackt und verlassen zu fühlen.
Aber in welcher Situation? War da nur die Wahl zwischen rechts und links, oder gab es da noch mehr?
Gut, dieser kalte, hässliche Raum war nur der Ausgangspunkt. Wenn es weitergehen – losgehen – sollte, musste sie sich jetzt entscheiden. Aber beide Gänge sahen genau gleich aus, was die Wahl nicht unbedingt leichter machte.
Also, was tun? Knobeln? Analysieren?
Nackt, zitternd und ratlos schlang sie die Arme um den Oberkörper. Was sollten dieser Raum und die beiden Gänge darstellen? Boden und Wände bestanden aus dunklem, teilweise schlüpfrigem Waschbeton, der nach feuchtem Moos und Schimmel roch.
Ellen musste an den Keller in Chris’ Elternhaus denken. Das Haus, das zu ihrer beider Heim geworden war, wenn auch zunächst nur an den Wochenenden. Das Haus, in dem sie sich noch nicht so recht zu Hause fühlte; ein Umstand, der sicherlich eine Weile andauern würde.
Sollte ihr der Traumraum aufzeigen, dass sie insgeheim noch nicht wusste, ob sie überhaupt mit Chris zusammen in dessen Elternhaus leben wollte?
Die Kälte in diesem Traum kam ihr seltsam echt vor. Ja, sie spürte deutlich, wie kalt ihre Füße waren. Wie Eisblöcke. So, als stünde sie tatsächlich auf dem kalten schlüpfrigen Betonboden, statt die Füße von ihrer Federdecke und Sigmunds Körper gewärmt zu bekommen.
Na schön, irgendwie zieht es mich mehr zum rechten Gang hin. Es mag zwar nicht stimmen, aber ich habe den Eindruck, als führe er vorwärts und der linke zurück. Keine Ahnung, ob
das tatsächlich so ist, aber dies ist mein Traum, also führt er ganz einfach nach vorn . Punktum.
So betrat sie den rechten Gang, wo es trotz der Neonröhren unter rostigen Drahtkäfigen kaum heller war. Auch hier fühlte sich der Boden unter ihren nackten Füßen unangenehm glitschig an. Bewegte sie den Fuß vor und zurück, so schob sie das schmierige Grün aus Moos und Schimmel – vielleicht auch Algen – zu kleinen, fettig glänzenden Häufchen zusammen, die die Umrisse von Ferse und Zehen annahmen.
Je weiter sie ging, desto feuchter wurde es um sie herum. Sie musste einigen Pfützen auf dem Boden ausweichen.
Die Decke scheint undicht zu sein, dachte sie. Überall fielen Tropfen von Wänden und Decke und patschten in die Pfützen vor und hinter ihr.
Ellen zitterte immer mehr. Ihr war nicht nur kalt, da war auch noch ein zweites Gefühl. Ihr war unheimlich zumute.
Sag es doch frei heraus, Ellen Roth, wir sind unter uns: Du hast Angst. Hundert Prozent reine Angst. Garantiert echt, garantiert ohne emotionale Zusatzstoffe.
Ja, verdammt, sie hatte Angst. Obwohl dies nur ein Traum war und sie genau wusste, dass es nur ein Traum war, hatte sie gewaltige Angst. Und als sie sich dies eingestand, wurde sie von einer plötzlichen Erkenntnis getroffen – von einem Wissen, das wie ein Blitz in ihrem Kopf aufammte:
Irgendjemand oder irgendetwas lauert hinter mir im Dunkeln. Hinter meinem Rücken. Es beobachtet mich!
Erschrocken sah sie sich um. Der Raum, von dem
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