Trilogie des Tötens - X-Mas Edition - 3 Thriller (German Edition)
BHs noch sehen konnte.
Sie lehnte sich in ihrem Stuhl zurück und knallte mit elegantem Schwung ihre Füße in den karierten Converse Sneakers auf den Schreibtisch. Diese Haltung hatte ihren Vater, der auf Erziehung so viel Wert legte, rasend gemacht. Doch mit Anfang dreißig waren ihr die Benimmregeln ihres Vaters vollkommen egal und außerdem hatte er trotz aller guten Manieren eine Tragödie verursacht, die sie ihm auch in zehn Leben nicht verzeihen konnte.
Wohltuende Ruhe umgab sie. Kein Wunder, war doch ihr Büro im ruhigeren Ostteil der Etage angesiedelt. Hier gab es auch die einzige Tür aus Milchglas mit Holzstangen anstelle der Türklinken zum Öffnen – übrigens ein Gag des Innendesigners, der bei Kunden ziemlich gut ankam. Ansonsten sah es ziemlich trostlos aus. Der Warhol-Kuh-Aktenschrank hatte zwei Beine verloren und wurde jetzt von einem fragilen Holzprovisorium in der Waagrechten gehalten. In den Ecken gammelte der Staub vor sich hin, da sie die Reinigungsfirma nicht mehr bezahlen konnte und einfach keinen Nerv hatte, selbst zu putzen.
In den anderen Räumen sah es nicht besser aus: Die Glasfläche des Empfangstresens war gesprungen und mit Klebeband dilettantisch fixiert, die Schreibtische standen schief und die Computer waren nicht mehr auf dem neuesten Stand. Durch die Halle hämmerte dröhnender Hip-Hop aus großen Lautsprechern, die ihr Artdirector Richard Marx auf eigene Kosten angeschleppt hatte. Im Augenblick waren die wenigen Freelancer der Werbeagentur „The White Elephant” mit einem Projekt eingedeckt, das bei Weitem nicht die Kosten deckte, aber viel Arbeit verursachte.
Deprimiert verließ sie ihr Büro und lehnte sich nachdenklich an die Rostbar, die an der Längsseite der Recreation Zone stand. Auch diese war das Werk eines Designers, allerdings hatte dieser nicht bedacht, dass der attraktive Rost auf der Vorderseite abfärbte und Hosen, Röcke, Strumpfhosen, einfach alles mit einer dünnen Rostschicht bedeckte. Deshalb wurde die Bar auch nie benutzt, sondern diente als verstaubte Ablagefläche für die ausrangierte Design-Kaffeemaschine, leere Weinflaschen, Verpackungen, Displays und immer öfter als Klagemauer für sie.
Die finanzielle Situation der Agentur war echt beschissen, dazu noch die verdammten Sparmaßnahmen der Unternehmen, überall Stopp bei den Werbeausgaben und Nullbudgets, nur die Bank verdiente sich dumm und dämlich an den Überziehungszinsen. So hätte sie endlos über ihr Schicksal jammern können, doch eine nur zu bekannte Stimme riss sie aus diesen trüben Gedanken.
„Du machst so ein trauriges Gesicht, Anna! Komm, lass deine Augen strahlen!“, rief ihre Schwester Larissa und taxierte sie von oben bis unten.
„Noch immer derselbe Existentialistenlook“, konstatierte Larissa gehässig und deutete auf Annas schwarzes Outfit. „Dieses Oberteil, hattest du das nicht auch an, als wir uns das letzte Mal gesehen haben?“
Anna rang sich mühsam ein gequältes Grinsen ab und beobachtete ihre Schwester, die durch den Raum wirbelte, beim Anblick der Katzenlayouts auf der Pinnwand gekünstelt auflachte, um ihre unnatürlich weißen Zähne optimal zur Geltung zu bringen: Larissa, die Prinzessin ihres Vaters, die brave Tochter, die nie etwas falsch machte und die auch noch ungewöhnlich hübsch war. Larissa, das Traumkind, das sich Eltern wünschen. Anna hingegen war ein Alptraumkind, vorlaut und frech, mit schlechten Noten in der Schule und der No-Future-Attitüde als Teenager, unangepasst, trieb sie sich in Pseudokünstlerkreisen herum – so oder ähnlich war das Bild, das ihr Vater von ihr hatte. Larissa hingegen hatte sich als Model einen
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