Trinity (German Edition)
Plakate und Transparente gemalt. Und manche hatten zusätzliche Exemplare mitgebracht und hielten jetzt nach Freiwilligen Ausschau, die sie tragen sollten. STOP LIVERMORE AUSCHWITZ oder WORK FOR LIFE NOT DEATH oder TEACH PEACE. Eine Frau in einem wertvollen Pelzmantel wirkte etwas deplatziert. Aber ihr schien das nichts auszumachen. Ein Mann in einem Rollstuhl trug einen Cowboyhut und hielt eine Handvoll kleiner Streichholzkreuze im Schoß. Um ihn drängten sich vielleicht ein Dutzend Demonstranten mit T-Shirts, deren Aufdruck sie als BAY AREA BAPTIST PEACEMAKERS auswies.
Die Livermore Challenge Group fungierte als Sammelpunkt für zahlreiche Clubs und Organisationen – viele davon mit weit auseinanderliegenden politischen Ansichten, aber alle davon überzeugt, dass das Livermore Labor ein passendes Ziel für ihre Aktivitäten war. United we stand. We shall overcome.
Die geschäftsmäßig vornehme Vorgehensweise der Livermore Challenge Group verblüffte Elizabeth. Sie hatte gewisse Vorstellungen davon, wie eine Demonstration ablaufen sollte, ein Kampf engagierter Bürger gegen das Establishment, etwa so, wie man es in den Nachrichtensendungen aus den sechziger Jahren zu sehen bekommen hatte. Aber die Livermore Challenge Group hatte einen sehr formellen, rücksichtsvollen Brief an den Direktor des Livermore Laboratory geschrieben, ihn über das Datum der Demonstration informiert und Einzelheiten über die erwartete Zahl der Teilnehmer und die Zahl derer geliefert, die sich freiwillig gemeldet hatten, bürgerlichen Ungehorsam zu praktizieren. Das gab dem Labor die Möglichkeit, ausreichende Sicherheitskräfte bereitzustellen sowie Vorbereitungen für die Aufnahme eventueller Arrestanten zu treffen.
Elizabeth hatte sogar ein aus dem Labor geschmuggeltes Videoband zu sehen bekommen, das dazu benutzt wurde, den Sicherheitskräften des Labors beizubringen, wie man Atomdemonstranten verhaftet, wobei geeignete Griffe und Vorgehensweisen demonstriert wurden und darauf hingewiesen wurde, was unter allen Umständen zu vermeiden war. Um dem entgegenzuwirken, hatte die Livermore Challenge Group jedem Freiwilligen eine spezielle Ausbildung zuteilwerden lassen, wie man sich verhaften ließ, was zu tun war, und worin ihre Rechte bestanden. Sie sah auf die gelben Armbänder, die einige Leute trugen, und die sie als Freiwillige auswiesen, die bereit waren, sich verhaften zu lassen. Diese Armbinden verliehen ihnen eine gewisse Sonderstellung unter den übrigen Demonstranten.
Elizabeth beneidete sie. Sie hatte mit Jeff darüber diskutiert, ob sie sich freiwillig melden sollte, aber er hatte es ihr ausgeredet. Seit sie ihre Position in der Atomindustrie aufgegeben hatte, hatte Elizabeth sich kopfüber in die Protestbewegung gestürzt; Jeff sagte, sie würde übertreiben, sie solle warten, und sich vielleicht nächstes Mal verhaften lassen, wenn sie zu einer kühlen, rationalen Entscheidung fähig war, statt sich einfach ohne Rücksicht auf die Konsequenzen kopfüber hineinzustürzen. Schließlich hatte sie ihm widerstrebend zugestimmt.
Inzwischen war es helllichter Tag geworden, und die Erregung in Elizabeth hatte sich gesteigert. Jeff hielt sie an der Hand. Sie konnte die Spannung in seinen Muskeln fühlen. Die Atmosphäre war mit Emotion geladen und machte alle unsicher.
Mittlerweile gingen bereits Kameraleute des laboreigenen Fernsehsystems zwischen den Demonstranten auf und ab und plauderten mit ihnen. Alles machte einen sehr gelockerten, ja herzlichen Eindruck. Auch von zwei lokalen Fernsehstationen waren Reporter mit Handkameras aufgetaucht und warteten jetzt darauf, dass es etwas Interessantes geben würde. Dan Fogelbergs Lied »Kill the Fire« hallte durch das Lager.
Einige Leute taten den Fernsehreporter den Gefallen, ihnen Material zu liefern. Ein bärtiger Mann stolzierte in Wanderstiefeln und einem weißen Strahlenschutzanzug herum, der aus einem alten Bettlaken geschneidert war. Drei Leute – ob es Männer oder Frauen waren, konnte Elizabeth nicht erkennen – kamen heraus, völlig in Schwarz gekleidet, die Gesichter wie Totenköpfe bemalt. Zwei davon hielten Fahnen mit dem dreiblättrigen Strahlungssymbol in die Höhe, überdeckt von dem universellen Zeichen mit dem durchgestrichenen Kreis und dem NO darunter. Der dritte trug ein Transparent, auf dem stand, VOR RADIOAKTIVEN ABFALLSTOFFEN GIBT ES KEINE FLUCHT.
Elizabeth besorgte sich aus einem Gemeinschaftsthermosbehälter eine weitere Tasse lauwarmen Kaffee und
Weitere Kostenlose Bücher