Trinity (German Edition)
nippte immer wieder daran, während sie an dem Drahtzaun entlangging. Der Verkehr auf der East Avenue wurde dichter, als die Leute zur Arbeit im Labor kamen, jeder durch das Haupttor, wo ein Sicherheitswächter – nein, sie korrigierte sich, sie nannten sich »Schutzdienstmänner« – die Dienstausweise der Angestellten kontrollierte und sie zum Eingang durchwinkte.
Ein paar der Transparente – WIR SIND GEGEN EURE ARBEIT, NICHT GEGEN EUCH! – sorgten dafür, dass zwischen den Angestellten und den Demonstranten keine Spannungen aufkamen. Sie erwarteten in Wirklichkeit auch nicht, dass die Laborangestellten die Parolen auf den Transparenten lasen, kehrtmachten und sich weigerten, ihre Arbeit anzutreten. Als sie noch bei United Atomics tätig gewesen war, hätte Elizabeth das auch nicht getan. Sie hatte die wenigen Demonstranten immer ignoriert und das Gefühl gehabt, dass das alles sie gar nicht beträfe, dass die Demonstranten einfach nicht verstanden, dass sie ja nichts Unrechtes tat. Wenigstens hatte sie das damals so empfunden. Heute fragte sie sich, wie sie je hatte so verblendet sein können.
»Jetzt dauert es nicht mehr lang«, sagte Jeff. »Alles klar?«
Ein Blick auf ihre Uhr verriet Elizabeth, dass es halb acht war. Sie spürte, wie der Schmetterlingsschwarm in ihrem Magen sich in Bewegung setzte. »Aber sicher«, sagte sie.
Das Sicherheitspersonal des Labors marschierte auf, sie wirkten wie SS-Soldaten. Die meisten trugen Khakiuniformen, manche auch dunkelblau; sie wusste nicht, worin der Unterschied lag. Dann kamen Verstärkungskräfte der California Highway Patrol dazu. Alle trugen weiße Helme und durchsichtige Schilde vor dem Gesicht. Sie zählte vier Schäferhunde. Die weiblichen Wachen wirkten besonders hart, als wäre das für sie eine Frage von Stolz. Elizabeth fragte sich, wie viel diese eine Demonstration die Regierung kosten würde, aber das störte sie nicht – das war Geld, das nicht für Atomwaffen ausgegeben werden konnte.
Am Zaun fingen die Leute zu singen an: »Give Peace a Chance«. Immer wieder sangen sie es. Nachdem sie die Sicherheitskräfte in ihren scharfgebügelten Uniformen und mit ihren Waffen und die Demonstranten in einem Kaleidoskop aus Jeans und T-Shirts, Kopfbändern und bunten Röcken gesehen hatte, dachte Elizabeth, dass das hier auch ein Konflikt der Kulturen war. Alles wieder wie in den sechziger Jahren? Damals hatte sie die meisten Demonstrationen verpasst; sie war noch zu jung gewesen.
Die Macht, die von all den Leuten ausging, die sich hier versammelt hatten, überwältigte sie. Von außen mochte es wie Chaos ausgesehen haben, aber hier, als Beteiligte, hatte sie das Gefühl, ein lebenswichtiger Bestandteil einer äußerst starken Maschine zu sein. Sie würden siegreich sein. Ein Scheitern schien ihr einfach nicht möglich, nicht, wenn man sich so fühlte. Konnten die Wachen es nicht auch spüren?
Vier Demonstranten hatten sich am Außenzaun angekettet und zwangen die Sicherheitskräfte so, sie mit Seitenschneidern vom Zaun zu lösen und sie zu verhaften. Aber das war lediglich ein Ablenkungsmanöver.
Die erste Gruppe von Leuten mit gelben Armbändern reihte sich an der Ecke der East Avenue und der Vasco Road auf, der wichtigsten Kreuzung am Vordereingang des Labors. Andere jubelten ihnen zu. Elizabeth reckte die Faust in die Höhe. Tränen glitzerten in ihren Augen. Was für ein großartiges Opfer. Jeff legte den Arm um sie. Die erste Gruppe von sieben Freiwilligen marschierte auf die Straße, als die Ampel umschaltete. Sie setzten sich nebeneinander auf den Asphalt.
Elizabeth sah zu und fragte sich, wie es wohl wäre, dort draußen zu sitzen, das Gesicht auf derselben Höhe wie ein näherkommendes Auto, von dem Willen erfüllt, es zum Halten zu bringen, von dem Willen erfüllt, alles zum Halten zu bringen. Mit der emotionalen Unterstützung der versammelten Demonstranten konnten sie alles bewirken.
Die Sicherheitskräfte gingen auf die sieben Demonstranten zu, die jetzt auf der Straße saßen. Von links beginnend umringten die Wachen den ersten Demonstranten, einen Mann mit einer geflickten Jeansjacke und rotem Stirnband. Sechs Uniformierte umringten ihn, isolierten ihn von den anderen. Die Kameras der Medien schoben sich näher heran. Autos blieben stehen und begannen, die Kreuzung zu blockieren. Elizabeth packte Jeffs Hand und zog ihn zu sich heran, damit er sehen und hören und miterleben konnte, was hier geschah.
Einer der Uniformierten warnte den
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