Trips & Träume
einer halben Stunde hinter uns bringen. Aber wer könnte uns fahren? Meine Mutter nahm ihren Kadett immer mit zur Arbeit.
Ich rief Don an. Ja, sagte er, er würde uns sein Mofa leihen, es müsse nur aufgetankt werden. In zehn Minuten, logo, kommt vorbei.
Mark schüttelte ungläubig den Kopf. »Bist du des Wahnsinns?«
»Weißt du was Besseres?«
Natürlich hatte er keine andere Lösung parat. Seinen Vater konnte er nicht fragen, und auch sonst kannten wir niemanden, der ein Auto besaß. Halt, Andi konnte man fragen, der war einundzwanzig und fuhr einen Käfer. Doch das war völlig ausgeschlossen. Mark hätte nicht mitgemacht.
Zuerst holten wir meine Kreidler aus der Garage. Mark setzte sich auf sein Fahrrad und hielt sich an meiner Schulter fest. So düsten wir los.
»Wie soll das gehen? Ihr braucht noch was zum Festbinden«, sagte Don zur Begrüßung. Ja, mein Plan war absurd. Er gab uns eine Wäscheleine mit. Dons Mofa war leer bis zum Tankboden.
»Hast du einen Kanister?«, fragte Mark.
Er schwang sich auf den Drahtesel und besorgte den Sprit. Wir füllten Dons Mofa auf, es blieb sogar noch ein Rest für die Kreidler. Eine halbe Stunde später waren wir auf der Landstraße.
Auf halber Strecke schob sich eine schwarze Wolke über die Felder und Wiesen. Der Himmel verdunkelte sich. Blitze zuckten. Dann ergoss sich ein feiner, aber dichter Regen über das Land. An einer überdachten Bushaltestelle mitten in der Pampa stellten wir uns unter.
Wir waren völlig durchnässt, doch eine Umkehr kam nicht in Frage. Aufgeweicht und bibbernd vor Kälte erreichten wir Marienfels. Die Adresse war leicht zu finden, das Dorf bestand nur aus drei Straßen.
Ein Typ Ende dreißig machte uns auf.
»Du meine Güte!«, rief er erschrocken. Ich weiß nicht, wen oder was er erwartet hatte, zwei langhaarige Freaks aus der Stadt, denen die feuchte Mähne am Gesicht klebte, anscheinend nicht. Er starrte uns an wie einen außerirdischen Besuch, dann stellte er sich als Rolf vor, bat uns herein und gab uns Handtücher.
Rolf schien schon länger keine Menschenseele mehr gesehen zu haben, denn er redete ohne Unterlass. Dass er früher mal in einer Beatband gespielt habe, dass er bald fortziehen würde, dass seine Mutter vor einem Jahr verstorben und der Vater jetzt im Altersheim sei. Bald werde er den Hof seiner Eltern verkaufen und in die Stadt ziehen.
»Vielleicht werde ich auch nur vermieten. An so Typen wie euch«, sagte er. Er habe nämlich in der Zeitung gelesen, dass immer mehr junge Leute das Stadtleben satt hätten und aufs Land wollten. Um eine Kommune zu gründen. Das sei doch merkwürdig, oder nicht? Er als Dörfler wolle weg, und die Städter wollten auch weg. Alle wollten irgendwie weg. Dann verriet er uns noch, obwohl uns das alles gar nicht interessierte, dass er bei der Post arbeite. In der Stadt sei viel mehr los, dort gebe es die hübscheren Mädchen. Hahaha! Er klopfte mir auf die Schulter, als hätte ich mit ihm in der Untersekunda Kondome in Luftballons verwandelt.
Mark und ich saßen am Küchentisch, rubbelten uns die Haare trocken und ließen ihn reden. Als Rolf schließlich seinen Vortrag beendet hatte, hörte auch der Regen auf.
folgten ihm hinaus in eine baufällig anmutende Scheune. Er öffnete das Tor, und sofort flogen uns gackernde Hühner entgegen. Heu und anderer Dreck waren plötzlich in der Luft und in meinen Augen. Als sich die Aufregung gelegt hatte, sah ich in der hinteren Ecke neben einem Traktor das Schlagzeug stehen. Es war mit einem Tuch abgedeckt, das Rolf in einer übertriebenen Geste entfernte, als handele es sich um eine Denkmalsenthüllung. Es war keine Schönheit, dieses Drumkit, aber – soweit ich das beurteilen konnte – in guter Verfassung. Es war rot und hatte wirklich zwei Becken, aber nur eine Hängetom.
»Ihr müsst mir versprechen, die Kleine gut zu behandeln, wenn ich sie schon hergebe«, sagte Rolf.
Mark ging um das Schlagzeug herum, schaute sich alles genau an, wie bei einem Autokauf. Dann setzte er sich, schnappte sich die Stöcke, die in der Bassdrum klemmten, und trommelte ein paar Takte. Die Schießbude hatte einen kräftigen Sound und war sogar gestimmt.
»Das Teil ist ganz in Ordnung, so wie es ist. Ist zwar kein Ludwig, aber ich werd damit zurechtkommen«, flüsterte Mark mir zu.
»Du spielst ja richtig gut«, sagte Rolf. »Ich hab das Gefühl, meine Kleine ist bei dir in guten Händen. Habt ihr das Geld dabei?«
»Das Schlagzeug hat nur eine Hängetom. Der
Weitere Kostenlose Bücher