Trips & Träume
hatte nicht bedacht, wie nahe sie sich gekommen waren, Mila und er. Sie hatten in Indonesien ein Verhältnis miteinander. Nun war Frank ebenfalls in Berlin und drehte für den Sender, für den auch Mila arbeitete. Ihre Affäre flammte neu auf. Doch das alles gestand sie mir erst, nachdem wir schon ein Dreivierteljahr in Berlin lebten. Wir beschlossen eine Trennung auf Probe.
Ich zog aus. In eine Dreizimmerwohnung direkt über dem Ramones-Museum. Das hatte den Vorteil, dass ich meinen Vaterpflichten nachkommen und mich weiter um Maja kümmern konnte, weil mein neues Zuhause direkt um die Ecke lag.
Manchmal übernachtete Maja bei mir. Die neue Situation verwirrte sie. Auch Mila kam mich anfangs oft besuchen. Ich besuchte sie nie, denn ich wollte Frank nicht begegnen, der inzwischen bei ihr eingezogen war. Einmal wollte sie bei mir übernachten, trotz ihrer Verführungskünste wehrte ich ihre Annäherung ab. Wenn es Stress mit Frank gab, dann sollte ich den Tröster spielen? Ich sagte es ihr, und sie zog eingeschnappt ab.
Ich fing an, mich mit Marie zu treffen.
Sie arbeitete in dem Kinderladen, in dem Maja untergebracht war. Marie war sechs Jahre jünger als ich, kinderlos, hatte nie geheiratet. Sie ging liebevoll mit Maja um, die beiden kannten sich ja aus dem Kinderladen und wurden schnell Freunde. Marie lachte viel. Und mir imponierte, dass sie Jean-Paul Sartre und Albert Camus mochte, die ich durch ihre Hartnäckigkeit wieder angefangen hatte zu lesen.
Don traf ich manchmal auf dem Redaktionsflur, wenn ich bei seinem Stadtmagazin zu tun hatte. An meinem fünfzigsten Geburtstag lud er Marie und mich zum Essen bei einem schicken Marokkaner ein.
Zu meiner Freude war Giulia auch da. Wir begrüßten uns mit großem Hallo. Sie sah gut aus, unsere kleine Italienerin von einst, und strahlte immer noch eine jugendliche Lebendigkeit aus. Es wurde ein schöner Abend. Wir tranken Rotwein, aßen Lamm mit Couscous und redeten über die alten Zeiten.
Und so erfuhr ich, dass Giulia irgendwann die Leitung der unter Fürst in die Insolvenz geratenen Künstleragentur übernommen und sie komplett umstrukturiert hatte. Stolz erzählte sie, fünfzehn Mitarbeiter würden unter ihrer Führung Kleindarsteller für TV-Serien sowie Sänger und Tänzer für Musicals vermitteln, Kabarettisten und Comedy-Stars managen. Und Regina della Luna.
Ihre Tochter sei in einem neuen Stück am Stuttgarter Musicalhaus untergekommen und hätte erst mal genug vom Pop-Business. Sie sagte es ohne Häme oder Enttäuschung. Sie lächelte, und ich wusste sofort, es kam von Herzen. Sie erwähnte Mark und den Songdiebstahl mit keinem Wort.
Irgendwann landeten wir bei den Geschichten übers Musikfieber, übers Müsli und das Festival. Don und sie hätten sich irgendwann auseinandergelebt, beruflich gehe jeder seiner eigenen Wege. Auch wenn die Künstleragentur zu seinem kleinen Medienimperium gehöre, lasse er ihr freie Hand. Beruflich seien sie auf einer Wellenlänge, privat aber schon seit zehn Jahren nicht mehr. Dann verwickelte sie Marie in ein Gespräch darüber, warum Berlin die Stadt der urbanen Penner sei, das habe sie kürzlich in einem Artikel gelesen.
Don hielt ein besonderes Geburtstagsgeschenk für mich bereit. Er fragte, ob ich nicht bei seinem Stadtmagazin fest einsteigen wolle.
»Ganz ehrlich, so jemanden wie dich könnte ich gebrauchen. Wie hört sich das an, Herr Chefredakteur?«, sagte er. Wir lachten über den Witz, den nur er und ich verstanden.
Ich antwortete, ich würde es mir überlegen. Marie schaute mich mit großen Augen an, Giulia lächelte nur. Insgeheim gefiel mir der Gedanke. Chefredakteur einer Stadtmagazins. Ich war fünfzig, hatte eine kleine Tochter, die bald in die Schule gehen würde, und eine neue Freundin. Ich hatte es eigentlich ganz gut getroffen.
Und während wir da saßen, in diesem marokkanischen Restaurant in Berlin, musste ich mit einem Mal daran denken, dass Erfolg zwar jede Freundschaft, jede noch so große Liebe und ganz viele Ideale ruinieren kann. Aber er konnte auch den Weg zu neuen Ufern bahnen, eine Entwicklung voranbringen.
Mir fiel der Satz von Sartre ein, dass der Mensch sich durch sein Handeln definiere, also das ist, was er tut.
Im selben Moment hörte ich vor meinem inneren Ohr Andis Stimme, damals beim Konzert von Guru Guru.
Was hatte Miles Davis, der Jazz-Trompeter, einst gesagt?
Ich bin nicht, was ich tue,
ich tue, was ich bin.
nachbemerkung Dank
Aus dramaturgischen Gründen habe ich
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