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Tristan

Tristan

Titel: Tristan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Grzimek
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und noch einmal seine Tochter vorzuführen. Zweifellos, sie war schön, Gesicht und Körper ebenmäßig geformt, und ihre Augen wie ein Wiedersehen in sich selbst. Aber sie war über alle Maßen dumm.
    »Nein!«, sagte Marke dem Boten. »Der Truchsess soll sich so lange dort aufhalten, bis alles geregelt ist. Ich will heute niemanden mehr sehen. Lasst mir einen Krug mit Wein bringen, Brot und etwas fromage. Geh jetzt, geh!«
    Marke wanderte in seinem Zimmer auf und ab. In Wahrheit hätte er jetzt gern Gesellschaft um sich gehabt, das Alleinsein beunruhigte ihn. Auf der Burg sind einige Lehnsherren zu Gast, deren Mäuler ich stopfen muss, sagte er widerwillig zu sich: Sie kommen und gehen, wie es ihnen passt. Ich gebe ihnen Speis und Trank, wie es in der Heiligen Schrift geschrieben steht, biete ihnen Unterhaltung, worüber sich in der Heiligen Schrift nicht viel findet, und was geben sie mir? Zinsen, von denen sie die Hälfte unterschlagen!
    Diese Gedanken erregten ihn so sehr, dass er die Enge in seinem Zimmer nicht mehr ertragen konnte und er es verlassen musste. Wenigstens auf dem Flur wollte er ein wenig auf und ab gehen. Die Wachen schickte er in die Vorhalle. »Ich muss allein sein«, redete er leise weiter. »Wenn ich den Zins nicht bekomme, was mache ich dann? Ich brauche dringend das argent. Soll ich denn gegen meine eigenen Lehnsleute in den Krieg ziehen und die Bauern ausrauben, wie es Gurmûn in Irland tut?«
    Mit einer Handbewegung wischte er den Gedanken beiseite, als er ein Winseln hörte. Er nahm eines der in einer Nische stehenden Lämpchen und folgte dem Flur. Vor der Tür zu Isoldes Gemächern erblickte er Tristans Hund auf dem Boden liegend. Er hatte die Pfoten nach vorn von sich gestreckt, stand aber gleich auf, als er Marke kommen sah. Der Hund, der nicht bellt, dachte Marke, ging auf ihn zu und sagte: »Hiudan, was machst du hier?«
    Der Hund wedelte mit dem Schwanz und kratzte mit der Pfote an der Tür.
    »Ist Tristan in diesem Gemach?«
    Hiudan winselte wieder, kaum dass er den Namen seines Herrn hörte.
    Plötzlich war Marke hellwach. Er lief in seinem weiten Schlafmantel zur Vorhalle zurück, orderte die Wache und postierte sie vor Isoldes Tür. Jeden, der herauskäme, gleichgültig, wer es auch sei, sollten sie unter Arrest nehmen. Dann versetzte er dem Hund einen Tritt, weil er nicht weichen wollte, verschaffte sich Einlass in die Kemenate und sah vor sich Brangaene und Isoldes Zofen. Sie starrten ihn an.
     
    »Sie betet« ~297~ Kräuterduft
     
    Es war spät, bald Mitternacht. Marke dachte kurz an Genifer, die sich zu seiner Erleichterung nicht mehr unter ihnen befand, baute sich vor Brangaene auf und befahl, er wolle die Königin sprechen und zwar auf der Stelle. »Schläft sie schon?«, fragte Marke.
    »Nein, Herr, sie betet.« Brangaene konnte kaum sprechen. »In ihrem Bett?«
    »Nein, Herr, in ihrer heiligen Kammer.«
    »In ihrer heiligen Kammer?« Marke trat einen Schritt näher an Brangaene heran. »Wo befindet sich diese?« Brangaene zögerte.
    »Wo?«
    »Die Tür dort.« Brangaene konnte ihm die Antwort nicht verwehren.
    Marke stürmte darauf zu, drückte den Griff. »Sie ist verschlossen!«
    Brangaene griff in ihren Ärmel, holte einen Schlüssel hervor und reichte ihn Marke. Er war ihr König.
    »Muss ich die Türen in meiner Burg denn selbst aufschließen?«, fragte er streng, schnaubte, schloss auf, zeigte durch einen Wink an, dass er allein gelassen werden wollte, und trat ein.
    Leise zog er die Tür hinter sich zu. Was er zu Gesicht bekam, verschlug ihm fast den Atem. Die Luft war erfüllt von Kräuterduft, unzählig viele Lichter brannten, jede Nische, jeder Winkel war erleuchtet. Er blickte zuerst auf einen Altar, auf dem Kieselsteine funkelten, die zu einem Kreis angeordnet worden waren. In der Mitte befand sich eine goldene Kugel, die sich drehte. Blancheflur - der Name seiner Schwester glitt durch seine Gedanken, ehe er sich umsah. Auf dem Bett lagen Tristan und Isolde, eng umschlungen in tiefem Schlaf. Sie waren einander zugewendet, schmiegten ihre Gesichter aneinander, ihre Körper waren bis unter die Schultern unbedeckt, und sie lagen so dicht und eng zusammen, dass man glauben konnte, der eine Mensch sei aus dem anderen herausgewachsen.
    Marke war ratlos, er wusste nicht, was er tun sollte. Er war versucht, dieses Ebenbild der Einheit zweier Menschen endlos lange anzusehen oder zu zerstören. Dann kam ihm ernüchternd in den Sinn, wer er selbst denn war: der

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