Triumph des Himmels: Historischer Roman (German Edition)
Raum tänzelten und fröhliche Bemerkungen trällerten. ChiChi rutschte gleich neben den dicken Thalheimer und schmiegte sich an seine Schulter. Der gockelte sich auf und tätschelte sie gründlich ab. Mich schauderte schon bei dem Anblick. ChouChou zwängte sich zwischen den Oberst und ihn auf die Bank und flüsterte ihm irgendwelche Delikatessen ins Ohr. ChiChi patschte ihr auf die Hand und zückte den Durchschlag unseres fingierten Interviews. Aus ihrem schnellen Französisch mochte er nur entnehmen, dass er es lesen sollte und dass es von Emmalou stammte. Donny Dorsch kam aus seiner Ecke gekrochen.
Und Thalheimer begann tatsächlich zu lesen.
Sein feistes Gesicht wurde rot und röter.
Kurz bevor er explodierte, trat ich durch die Tür.
»ChiChi, habt ihr meine Notizen mitgenommen?«, fragte ich harmlos.
»Sie!«, keuchte der Reifenfabrikant. »Sie erdreisten sich …«
»Ah, Herr Thalheimer, Sie haben meinen Vorschlag schon gelesen? Wie günstig.« Ich zückte Klemmbrett und Stift. »Haben Sie Ergänzungen oder Richtigstellungen anzubringen?«
»Zu diesem Schmier? Was erlauben Sie sich, Frollein!«
»Nun, Sie wollten mir kein Interview geben, also habe ich aus dem, was ich wusste, einen kleinen Artikel zusammengestellt. Stimmt etwas darin nicht?«
»Nichts stimmt daran, aber auch gar nichts! Sie werden einen solchen Unsinn nicht veröffentlichen.«
»Pressefreiheit, mein Herr! Aber Sie haben natürlich die Möglichkeiten, Ungereimtheiten richtigzustellen. Sie waren doch dienstuntauglich, nicht wahr?«
»Aber doch nicht wegen der Scheißerei, mein Gott. Ich hatte ein Vatermord-Syndrom. Sie glauben gar nicht, wie mich das belastet hat.«
»Doch, das glaube ich Ihnen.« Ich notierte den Begriff, er gefiel mir. »Und Ihr Vater war Postbote, oder? Dessen schämen Sie sich doch nicht. Das kann man den Lesern doch mitteilen.«
»Mein Vater war ein Beamter.«
»Im Zuchthaus«, fügte Donny Dorsch mit feinem Lächeln hinzu. Thalheimer fuhr zu ihm herum und wollte ihn angif ten, aber Donny schüttelte nur den Kopf. »Hab ich nachgeschlagen, Thalheimer. Vor den Gittern, ist doch nichts Ehrenrühriges.«
Aua!
»Ah, ein Mann von Recht und Ordnung«, erklärte Waldgruber freundlich. »Ein strenger Vater, Thalheimer, kann schon mal bei sensiblen Söhnen schlimme Kastrationsängste auslösen. Doktor Freud hat dazu ein paar aufschlussreiche Theorien aufgestellt. Leiden Sie noch immer unter Bettnässen?«
Die Mischung begann zu glühen.
»Ich hatte eine schwerwiegende Krankheit, verdammt. Darüber macht man sich doch nicht lustig«, schnaufte der Dicke.
Ich versuchte, die Glut etwas in meine Richtung zu lenken, bevor Waldgruber sich nach dem Befinden von Thalheimer senior erkundigen konnte. Dass er das wollte, sah ich seinen Augen an. Also fragte ich etwas nüchterner: »Dann war die Anstellung bei Bayer doch bestimmt ein erfreuliches Ereignis für Sie, Herr Thalheimer. Das war doch eine Zeit, in der die Wirtschaft prosperierte. Und so günstig für Sie, dass der Krieg ausbrach und alle jungen Männer eingezogen wurden.«
Er knirschte mit den Zähnen.
»Ich war UK gemeldet!«
»Unabkömmlich«, soufflierte mir Donny Dorsch. »Natürlich. In einem Unternehmen, das unsere tapferen Truppen mit Senfgas belieferte.«
Aua, aua!
»Damit habe ich nichts zu tun gehabt.«
»Nein, aber mit den Synthesekautschukreifen, nicht wahr, Herr Thalheimer? Auch ein auskömmliches Geschäft, das Ihr Arbeitgeber damit gemacht hat.«
Zu meiner Überraschung wurde er plötzlich blass und stieß fahrig sein Bierglas um. Der Inhalt tröpfelte auf Oberst von Braunlages Hose. Woraufhin ChouChou ihr Taschentüchlein zückte und den Herrn Offizier an delikater Stelle abzutupfen begann. Die Komödie erhielt noch weitere Höhepunkte, als er versuchte, sich dagegen zu wehren.
»Ach ja, Herr Thalheimer, als der Krieg verloren war, haben ja die Briten Bayer besetzt. Hier fehlt mir leider die Fantasie, mir vorzustellen, was Sie in den nächsten drei Jahren gemacht haben. Waren Sie arbeitslos? Oder in Gefangenschaft? Oder sind Sie einfach untergetaucht?«
»Das geht Sie gar nichts an!«
»Ah, Sie haben Geld gefälscht, um unbeschadet durch die Inflationsjahre zu kommen. Oder lockte der Schwarzmarkt?«
Jetzt wurde er wieder knallrot. Ich hatte wohl den richtigen Nerv getroffen.
»Sie haben mit Aktien spekuliert«, warf Donny Dorsch ein.
»Nützlich, während die Welt morgens nicht mehr wusste, was das Brot am Abend kosten würde.
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