Triumph des Himmels: Historischer Roman (German Edition)
entlarven? Ihm seine falsche Maske vom Gesicht reißen? Wer würde ihm glauben? Vermutlich leugnete der Kerl alles und versuchte dann, sich abzusetzen. Besser, er erfand einen harmlosen Grund.
»Ich habe mir die Füße vertreten wollen, Herr Großmann. Und es schien mir verdächtig, dass Männer um die Fahrzeuge herumschlichen. Sie hätten uns allen einen Gefallen getan, wenn die Rennleitung bekannt gegeben hätte, dass sie ihren eigenen Wachen nicht traut und Teilnehmern Kontrollaufgaben übergeben hat.«
»Das, Oberst, ist nicht unsere Aufgabe. Und die Ihre ist es nicht, jemanden mit der Waffe zu bedrohen. Sie werden die Pistole hierlassen. Morgen beim Aufbruch bekommen Sie sie wieder. Und nun möchte ich Sie bitten, zu Ihren Unterkünften zurückzukehren und die Nachtruhe einzuhalten.«
Noch einmal wollte der Oberst aufbegehren, aber die verächtlichen Blicke der drei Männer verschlossen ihm den Mund. Nun gut, morgen, in Hildesheim, spätestens in Magdeburg würde man wenigstens den einen von ihnen verhaften.
Grollend wanderte der Oberst zu seinem Quartier, das er zu allem Überfluss auch noch mit einem pomadisierten Italiener teilen musste.
Die Welt meinte es nicht gut mit ihm, und die Nacht verbrachte er in unruhigen Gedanken.
45. UNANGENEHME WAHRHEITEN
Amazing grace, how sweet the sound,
that saved a wretch like me!
I once was lost, but now I am found,
was blind, but now I see.
Traditional
N achdem Mac Emmalou am frühen Abend verlassen hatte, hatte er eine Weile auf seinem Bett gesessen und über die Ereignisse des Tages gegrübelt. Dann war Hans zurückgekommen und hatte sich gähnend an das Bettgestell gelehnt.
»Hab ein Mittel von dem jungen Waldgruber genommen, Mac. Und jetzt muss ich schlafen.«
Mac hatte ihm geholfen, die Stiefel auszuziehen, und als Hans auf dem unteren Bett lag, war er auch schon eingeschlafen. Hoffentlich würde sich auch der Zitteranfall bis zum nächsten Morgen gelegt haben.
Um seinen Freund nicht zu stören, machte Mac sich auf zur Kantine, um sich ein Abendessen zu organisieren. Es gab noch immer reichlich Kartoffelsalat, und auch ein Bier wurde ihm gezapft. Damit setzte er sich an einen leeren Tisch und aß in Ruhe.
Bis sich Latour still neben ihn setzte und ebenfalls ein Bierglas vor sich abstellte.
Er wollte nicht mit dem Franzosen sprechen. Der Mann hatte einen weitaus zu scharfen Blick, der ihm lästig war. Aber ihn unhöflich wegschicken konnte er vermutlich auch nicht. Also schwieg er einfach, aß weiter und legte dann sein Besteck nieder.
»Ich habe mir vorhin den Schlauch des Reifens angesehen, den wir heute Morgen ohne Luft vorgefunden haben«, bemerkte Latour. »Sieht eigenartig zerfressen aus.«
»Das sollten Sie der Rennleitung melden.«
»Habe ich getan. Sie sprachen schon mit Großmann darüber, richtig?«
»Ich habe bereits in Köln dazu Meldung gemacht.«
»Ein Reifenplatzer bei hoher Geschwindigkeit kann zu tödlichen Unfällen führen. Haben wir einen Mörder unter uns?«
»Sie übertreiben.«
»Nein, das glaube ich nicht. Ich glaube, jemand will unbedingt siegen und ist bereit, dafür über Leichen zu gehen.«
»Sie haben eine zynische Einstellung.«
Latour hob in sehr französischer Geste die Hände.
»Schon gut, es gibt solche Menschen.«
»Was hat Mademoiselle du Plessis heute getan, bevor sie sprang, MacAlan? Sie liefen hinter ihr her, versuchten, sie aufzuhalten.«
»Was soll diese Befragung, Latour?«
»Meine schreckliche Neugier. Und vielleicht möchte ich mit Ihnen doch über die Lust an der Gefahr plaudern, Mac.«
»Warum das?«
»Sagen wir, ich sehe es nicht gerne, wenn ein guter Mann ins Unglück läuft.« Latour lächelte und zog ein Etui mit langen, dünnen Zigarren hervor. »Nehmen Sie eine.«
Das Bügeleisen – dieses verdammte Bügeleisen. Seit langer Zeit hatte er wieder reine, pure Angst verspürt. Es war schieres Glück gewesen, dass es ihn nicht getroffen hatte. Eigenartig, an der Staumauer hatte er keine Furcht gehabt.
Er nahm die angebotene Zigarre und ließ sich Feuer geben.
Latour war ein seltsamer Mensch, ein Rennfahrer, der Kopf und Kragen auf den schwierigsten Strecken riskierte, der mit seinen kichernden Schwestern eine Rallye unternahm, der schweigend und trostlos in Verdun bei ihnen gestanden hatte. Mehr wusste Mac nicht von ihm. Oder? Doch, etwas mehr wusste er doch noch.
»Todessehnsucht«, sagte Latour, »kann die Folge großer Verluste sein. Ihr Beifahrer leidet unter der Shell disease. Sie
Weitere Kostenlose Bücher