Triumph des Himmels: Historischer Roman (German Edition)
das war der Wunsch des Herausgebers.«
»Das haben wir doch alles dabei. Ich meine – gut, über deine Freundin Geraldine solltest du vielleicht nichts schreiben, aber über ein paar Unfälle können wir dir auch erzählen.«
»Geraldine ist, wie sich gezeigt hat, nicht meine Freundin. Aber natürlich werde ich nichts über ihren Unfall schreiben. Sie ist schließlich die Tochter des Feuilletonisten.«
»O je.«
»Ich dachte, ich schreibe etwas über dieses Kinderdorf …«, murmelte ich.
»Ist aber nicht skandalös.«
»Leider nicht, aber vielleicht zu Herzen gehend?«
»Dann musst du Einzelschicksale schildern. Aber dazu hast du keine Zeit. Wir brechen morgen früh nach Magdeburg auf.«
»Du kannst doch etwas über Pralinen berichten.«
ChiChi kicherte schon wieder haltlos.
»Sind die skandalös?«
»Und wie. Doro Obeli ist naschsüchtig. Den Colonel hat sie in Nürburg aufgeleckert, den jungen Docteur wollte sie in Köln vernaschen, aber Papa war dagegen. Dann hat sie es bei dem dicken Reifenmann versucht.«
»Und den hübschen MacAlan verschlingt sie mit den Augen.«
Auf die Pralinenprinzessin hatte mich Koch damals auch aufmerksam gemacht.
»Ja, sie scheint ein gefundenes Fressen, förmlich ein Leckerbissen an Skandalen. Aber es widerstrebte mir trotzdem, derart intime Dinge der Öffentlichkeit zu berichten, ChouChou.«
»Musst du ja nicht. Du kannst aber damit drohen, dass du es könntest, und dir dein Schweigen bezahlen lassen.«
»Das kann ich auch nicht.«
»Nein, ist auch nicht fein. Und Doro ist ein armes Ding.«
»Aber bestimmt würde ihr Bruder Anzeigen in eurem Blatt schalten, wenn du freundlich über sie berichtest. Ist das nicht so, dass Magazine Geld mit Anzeigen verdienen?«
Anzeigen, klar! Vielleicht konnte ich damit noch etwas retten.
»Der Herausgeber wollte, dass ich Thalheimer überrede, seine Reifenanzeigen bei uns zu platzieren. Aber der hat mich ziemlich barsch abgewimmelt.«
»Der Dicke?«
»Mhm. Der ist der Meinung, dass Frauen bei einer Rallye nichts zu suchen haben.«
»Ach? Aber mit der Trixi hat er rumgemacht.«
»Trixi?«
»Madame von Braunlage. In Köln. Zur heure bleue.«
Die beiden hatten aber wirklich einiges an Pikanterien mitbekommen.
»Woher wisst ihr so was?«
»Haben wir Augen im Kopf.«
»Ihr lauscht an Zimmertüren?«
»Mhmhm. Macht Spaß.«
»Und darum können wir dir helfen, Monsieur Thalheimer zu interviewen.«
Und dann entwarfen die beiden Spitzbübinnen einen wirklich spitzbübischen Plan.
Zwei Stunden später führten wir ihn aus.
Ich hatte in der Zwischenzeit alles an meinen Notizen zusammengesucht, die ich zu dem Reifenfabrikanten gemacht hatte. Es gab da einige interessante Lücken, die ich zu füllen gedachte. Vor allem stellte sich die Frage, woher er das Geld für die Gründung seines Unternehmens hatte. Er war heute 45 Jahre alt und damit also 1880 geboren. Wir spekulierten über seine Herkunft und befanden, dass er aus kleinen Verhältnissen stammen musste. Vielleicht Sohn eines Postboten, schlug ChiChi vor. Wir dichteten ihm dann eine Wehrdienstuntauglichkeit an – blamabel so was, vor allem, wenn es sich um unüberwindliche Darmprobleme handelte. Die ihn aber nicht daran hinderten, eine Lehre als Buchhalter zu machen. Dann mischten wir Fakten mit Fiktion – er wurde Hilfsbuchhalter in dem Chemiewerk Bayer und stieg dort während des Krieges – da die meisten Männer einberufen worden waren – zum Oberbuchhalter auf und wurde schließlich zum Vertriebsleiter für Synthesekautschukreifen ernannt. Dank seiner großen Verkaufserfolge, die er in Bayer-Aktien investierte, so spannen wir weiter, konnte er sich nach 1918 einen ausgedehnten Urlaub gönnen und die durch die Inflation geretteten Gelder drei Jahre später in seine neu gegründete Firma investieren.
Ich hämmerte begeistert das fingierte Interview in meine Wanderer und reichte ChouChou dann den Durchschlag, damit sie ihren Part übernehmen konnte.
Der sah vor, dass sie Thalheimer mit großer, geheimnisvoller Geste das Geschriebene zusteckte und ihm in gebrochenem Deutsch anvertraute, dass ich dieses Interview im Bunten Blatt zu veröffentlichen gedachte.
Vermutlich würde er kochen.
Und dann würde ich dazukommen.
Thalheimer saß mit einigen anderen Fahrern in der Kantine, trank Bier und schwadronierte herum. Auch der Oberst war anwesend, Donny Dorsch lungerte in einer schummrigen Ecke. Ich beobachtete verdeckt hinter der Tür, wie ChiChi und ChouChou in den
Weitere Kostenlose Bücher