Triumph des Himmels: Historischer Roman (German Edition)
über die Ohren ziehen und ihn dann an die Brust drücken.«
»Wisst ihr, wo er sich hier in Paris aufhält?«
»Schätzchen, wenn wir es wüssten, hätten wir sein Fell schon in den Händen. Aber heute Abend beim Bankett werden wir ihn uns greifen. Und wenn er sich da drückt, dann kriegen wir ihn spätestens auf der Strecke. Wir halten ihn für dich fest, Emmalou.«
Jetzt griff Chester doch zu seinem Glas.
»Auf die, die wir lieben.«
»Auf die Lebenden.«
Unter Tränen trank ich den kühlen, prickelnden Champagner.
Und die beiden Fitzgeralds begannen zu singen:
»Oh! Death, where is thy sting-a-ling-a-ling?
Oh! Grave, thy victory?
The Bells of Hell go ting-a-ling-a-ling
For you but not for me.”
Man drehte die Köpfe nach uns um, und ich stellte mein Glas ab.
»Ich fliege eine Rumpler.«
»Waaas?«
»Ich werde die Rallye aus der Luft begleiten.«
Die besinnliche Stimmung war verflogen. Ich konnte mich vor Fragen und dann vor Geschichten von Heldentaten gar nicht mehr retten.
So war ich dann später auch in hochgestimmter Laune zu dem Bankett gegangen, hatte mein grünes Kleid mit Anmut getragen und zielstrebig Informationen gesammelt.
Die ich nun, in den frühen Morgenstunden, zu einem Bericht zusammenfasste. Später würde ich ein Telegrafenamt aufsuchen, das den Text an die Redaktion als Telegramm übermitteln sollte.
Mit einem Ratsch zog ich die letzte Seite aus der Schreibmaschine, und Geraldine fuhr aus dem Bett hoch.
»Spinnst du?«
»Nein, ich habe meine Arbeit erledigt. Es ist halb acht, und es wird Zeit, dass wir uns auf den Start vorbereiten. Raus aus den Federn!«
Geraldine sah leicht verkatert aus, aber schaffte es tatsächlich, sich aus dem Zimmer zu dem Bad am Ende des Ganges zu schleppen. Ich packte ihre und meine Sachen zusammen und zog mir die Fliegerkluft an. Ich würde, wenn die Automobilparade die Champs Élysées verlassen hatte, zum Flugzeug fahren und die erste Etappe von der Luft aus beobachten. Bis Meaux waren es etwa sechzig Kilometer, auf dem Flugfeld der Zeppeline in Beauval würde ich bequem landen können.
Und ich hoffte inständig, meinen Plan durchführen zu können. Zunächst aber musste ich Geraldine von meiner gewagten Absicht überzeugen.
Zu Beginn gab es an diesem Samstagmorgen wieder einen offiziellen Teil. Auf einer flaggen- und blumengeschmückten Tribüne am Arc de Triomphe wurde die Rallye unter – zum Glück kurzen – Reden eröffnet. Geraldine und ich drängelten uns rücksichtslos durch Zuschauer und Presse nach vorne und eroberten uns einen Platz am Rand der Tribüne. Hier fuhr die Kolonne der glänzend polierten Fahrzeuge an uns vorbei. Sie umkreisten den Place d’Étoile und reihten sich dann vor der Tribüne auf. Die Motoren wurden ausgestellt, die Fahrer und Beifahrer traten neben ihre Fahrzeuge. Es herrschte plötzlich Schweigen, und eine Militärkapelle begann, den Triumphmarsch aus der Aida zu schmettern.
Als der letzte Ton verklungen war, stand Frank Tilmann auf und hob den Arm.
»Tausendzweihundert Kilometer liegen vor Ihnen. Enge Wege, breite Straßen, Gebirge, Täler, Dörfer, Städte. Anspruchsvoll ist der Weg vom Arc de Triomphe bis zum Brandenburger Tor. Ausdauer und Zuverlässigkeit führen zum Sieg, Fairness und Geschick werden gewinnen.«
Man spendete ihm Beifall, und als der verklungen war, rief er: »Von Triumph zu Triumph!« Die Motoren wurden gestartet, und ihr Gebrüll füllte den ganzen Place d’ É toile .
Ich hatte mich natürlich vorab kundig gemacht und konnte beobachten, dass alle hier angetretenen Automobile einen elektrischen Anlasser besaßen. Benzingestank wirbelte durch die klare Herbstluft, die ersten Wagen setzten sich in Bewegung. Nur einer blieb stehen. Gregoire schwang die Kurbel, während ChiChi und ChouChou ihn kichernd anfeuerten.
O Mann!
Ich drehte mich um und schlängelte mich zu der Treppe, die hinter der Tribüne lag. Dort wollte ich versuchen, mein ganz besonderes Vorgehen umzusetzen. Als Tilmann die Stufen hinunterkam, stellte ich mich ihm in den Weg.
»Mister Tilmann, haben Sie Lust, den ersten Streckenabschnitt von oben zu beobachten?«, fragte ich ihn.
»Miss?«
»Emmalou Schneider, Buntes Blatt, Berlin. Ich fliege eine Rumpler und habe noch einen Platz frei.«
Verdutzt sah der Ölbaron mich an. Ich hielt ihm meinen Presseausweis unter die Nase und lächelte strahlend.
»Ein ungewöhnliches Angebot. Sie haben eine Fluglizenz?«
»Auch dabei. Hier, bitte.«
Wohlweislich hatte ich
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