Triumph des Himmels: Historischer Roman (German Edition)
Lappen. Sie sind ja ooch janz nass jeworden.«
»Ach herrje. Ja, bitte. Ich heiße übrigens Nelly Kuntze.«
»Ick bin der Fritz Papke. Erfreut!«
Und wahrlich erfreut streckte er Nelly seine schwärzliche Hand hin. Sie musterte die öligen Finger, grinste und sagte: »Lappen!«
»Oh, Vaschuldijen Se.«
Auf einer rosigen Wolke glitt Fritz in die Werkstatt, schrubbte sich kurz die Hände und schnappte sich ein einigermaßen sauberes Handtuch. Nelly hieß sie. Nelly! Und um Molle hatte sie sich gekümmert.
Molle hatte sich zu ihrem Reifenstapel begeben und putzte sich dort weiter. Nelly war ihr gefolgt und sah sich staunend im Hof der Werkstatt um.
»Arbeiten Sie hier, Fritz?«, fragte sie und nahm den Lappen aus seiner feuchten Hand, um sich das Schmutzwasser von den Rockfalten zu wischen.
»Det is Charlies Werkstatt. Aber ick helf ihm. So wie’n Stift.«
Fritz scharrte mit den Füßen und hoffte, dass seine rot glühenden Ohren ihr nicht zu sehr auffielen.
»Ich arbeite im Telefonamt in der Neuen Ulrichstraße.«
»Ne Klingelfee«, entfuhr es Fritz, und nun wurden nicht nur seine Ohren rot. Minna sang den Schlager häufig mit, wenn er im Radio gespielt wurde.
»Fräulein vom Amt heißt das aber.«
»Ja, Frollein Nelly. Schöne Arbeet?«
»Na ja, nicht langweilig.«
»Und Sie arbeiten nachmittags?« Fritz gab sich Mühe mit seiner Sprache. Das Frollein drückte sich so vornehm aus.
»Nicht immer. Nachtschicht nächste Woche. Von sechs bis halb drei. Ist ganz praktisch, da kann ich wenigstens morgens einkaufen gehen.«
»Aber Sie jehn janz alleene vom Amt nach Haus? Mittenmang in der Nacht?«
»Ist doch nur den Breiten Weg runter, da leuchten die Laternen. Aber, Fritz, ich muss mich sputen.«
»Ja … ja, dann. Aber vielen Dank, ick meen wejen Molle.«
»Ja, Molle. Tschüs, Molle!«
Glückliche Molle, sie wurde noch mal gekrault.
Ein knatternder Delahaye rollte an den Straßenrand, der Fahrer begehrte eine Tankfüllung. Eigentlich hatte Fritz ja schon Feierabend, aber er war so in seine Glückseligkeit versunken, dass er ohne Maulen seinen Dienst versah. Das Trinkgeld war reichlich.
Molle würde morgen eine Schüssel Sahne bekommen. Auf den Schreck mit dem blöden Herrenfahrer und dafür, dass sie ihm die Nelly beschert hatte.
Fritz wäre vermutlich in weitere Tagträumereien versunken, hätte Charlie ihn nicht ins Haus gerufen. Minna hatte das Essen fertig, und auf dem Tisch lag die neueste Ausgabe der Berliner Automobil Zeitung . Die Rallye von Paris nach Berlin hatte an diesem Morgen begonnen.
Noch so ein Ereignis, das zu Fritzens Glück beitrug. Er hatte vor, am nächsten Tag zu der Stelle zu gehen, wo sich die Streckenposten einfinden würden. Vielleicht bekam er aus den Männern dort noch etwas mehr zu den Fahrzeugen und den Fahrern heraus.
Und Nelly würde nächste Woche auch wieder an der Werkstatt vorbeikommen. Er würde ihr erzählen, wie es Molle ging. Ja, das war eine gute Möglichkeit, einen weiteren Schwatz mit ihr zu halten.
ERSTE ETAPPE:
PARIS – VERDUN – METZ
14. EINE LANDPARTIE
I left my darling lying here,
a lying here, a lying here,
I left my darling lying here
to go and gather blaeberries.
Folksong
E ndlich rollten die Wagen. Gemächlich fuhren Mac und Hans mit, hinter dem roten Amilcar mit der Nummer sechzehn, vor dem grünen Opel mit der Nummer achtzehn. Am Straßenrand standen Menschen, starrten, manche winkten, einige mit offenen Mündern staunend. Die lackblitzende Kavalkade war selbst für Paris, wo Automobile schon zum Stadtbild gehörten, ein bemerkenswerter Anblick.
Es hatte in der Nacht etwas genieselt, die Luft war kühl, der Staub hatte sich gesenkt. Hans hatte Wetterprognosen eingeholt, die zumindest für die nächsten zwei Tage wenige Probleme versprachen. Leicht bewölkt, doch trocken, mäßiger Wind aus Nordwest – das war die Ansage für die Mitte Europas. Danach aber würde ein Tiefdruckgebiet über England das Land mit Regen überziehen. Gut, dass sie Richtung Nordosten fuhren, möglicherweise blieben sie davon bis Berlin verschont.
Graue Häuser, eng an eng gebaut, eine asphaltierte Straße, von den Wurzeln der Bäume rechts und links holprig aufgeworfen … Dann standen die Häuser weiter auseinander, verloren sich die Gaffer, die ersten Felder breiteten sich am Rand der Straße aus. Pappeln, schlank und hoch, bildeten eine lang gestreckte, gepflasterte Allee. Der erste Teil der Etappe verlief ruhig, man musste eine durchschnittliche
Weitere Kostenlose Bücher