Triumph des Himmels: Historischer Roman (German Edition)
gefallen.
Er hatte das struppige, abgemagerte Tier gleich nach seiner Ankunft in der Werkstatt bemerkt, aber erst als sie ihm eine halbe Bulette vom Brot geklaut hatte, war er richtig auf sie aufmerksam geworden. Sie war eine Streunerin, hatte Minna gesagt. Sie und Charlie hatten nichts dagegen, dass ein Mäusefänger auf dem Gelände lebte, aber besondere Aufmerksamkeit widmeten sie ihr nicht. Es war keine Zeit da, sich um eine Katze zu kümmern.
Eigentlich waren Fritz Tiere auch gleichgültig, aber das heisere Miauen rührte etwas in ihm an – Mitleid mit der hungrigen Kreatur vielleicht. Oder die Augen, die so viel älter waren, als es einer Katze gebührte. Jedenfalls hatte er sich angewöhnt, sie morgens zu rufen, und nach drei Tagen hörte sie auf den Namen Molle. Wahrscheinlich, weil seine Stimme mit dem Versprechen von etwas Futter verbunden war. Seither versorgte er sie, weil er irgendwem vergelten wollte, dass er es so gut getroffen hatte. Fast zwei Monate lang hatte er keine Prügel mehr bezogen, zwei Monate lang jeden Tag richtig gutes Essen bekommen. Er durfte an den Autos inzwischen selbstständig kleine Wartungsarbeiten durchführen, konnte mit Charlie fachsimpeln, dann und wann mal eine Proberunde mit einem Wagen fahren und abends an dem Radioempfänger sitzen. Na ja, Minna hörte gerne Schnulzen, aber manchmal wurden auch Beiträge gebracht, die ganz nützlich waren. Wie man einen Lautsprecher baut oder über die neuesten technischen Entwicklungen bei den Eisenbahnen.
Er hatte es so verdammt gut getroffen, und weil er jetzt auch einen anständigen Lohn verdiente, konnte er es sich eben leisten, jeden Tag für ein paar Pfennig Hühnerklein oder Schabefleisch vom Schlachter zu kaufen. Manchmal gab er Molle auch ein Ei. Das mochte sie gerne. Das sah er ihr an.
Molle hatte ihre Mahlzeit beendet und putzte sich gründlich Pfoten und Schnäuzchen. Dann erhob sie sich, rieb ihren Kopf kurz an Fritz’ Knie und schlenderte zur Tanksäule. Diese neue Einrichtung hatte Charlie einen ziemlichen Zuwachs an Kunden gebracht. Deutlich sichtbar stand das rot-weiße Ding mit dem blauen Stern obendrauf am Straßenrand, sodass die Fahrzeuge nicht mehr in die Hofeinfahrt fahren mussten. Auch für ihn und Charlie war es leichter geworden, denn man konnte einfach einen Schlauch in den Tankstutzen hängen und dann das Benzin hineinpumpen. Keine Kanister mehr schleppen, keine Fasspumpe mehr bedienen, nicht ständig nach Benzin stinken – das hatte seine Vorteile. Und mehr Kunden bedeutete auch mehr Trinkgeld.
Ja, Fritz konnte sich ein, zwei Eier für Molle leisten.
Es war Samstagnachmittag, der Regen vom Morgen hatte sich verzogen, geblieben waren ein paar Pfützen, in denen sich die Wolken und der blaue Himmel spiegelten. Nicht in allen – in denen hier vor der Werkstatt schillerte ein Ölfilm auf dem Wasser. Von ferne hörte Fritz einen Motor brummen und stand schon mal auf. Vielleicht gab es einen Tank zu füllen. Aber noch mehr freute er sich, als er auf der anderen Seite das blonde Mädchen auftauchen sah. Eigentlich – mhm – ja, eigentlich hatte er hier bei der Tanksäule gesessen, weil er darauf gewartet hatte, dass sie wieder vorbeikam. Wenn er doch nur mal den Mut finden würde, sie anzusprechen. Sie sah so adrett aus in ihrem blauen Rock und der weißen Bluse. Und immer hatte sie so eine karierte Mütze auf, in einem lustigen Winkel. Und angeguckt hatte sie ihn auch schon zweimal. So richtig mit einem kleinen Zwinkern in den Augen. Wie sie wohl hieß? Und warum sie wohl jeden Tag hier vorbeikam?
Das Auto kam näher, ein blitzender Benz – zu schnell, viel zu schnell. Der wollte nicht tanken.
Er preschte durch die Pfütze. Wasserfontänen stoben auf, Molle kreischte und flog gegen die Tanksäule. Das Mädchen kreischte auch. Fritz ballte die Fäuste und schüttelte sie drohend dem Fahrer nach, den das Geschehen jedoch nicht mehr interessierte. Aber das Mädchen kam zu ihm, ignorierte ihn aber und kniete sich neben Molle, die nass und reglos auf dem Pflaster lag.
»Dieser Widerling«, fauchte sie und strich der Katze über den Rücken. Vorsichtig hob sie ihr dann den Kopf an, und Molle gab ein heiseres »Mau« von sich.
Fritz fiel ein Stein vom Herzen.
»Sie lebt noch, ja?«
»Sie wurde wohl nur umgeworfen. Miez, miez, miez«, säuselte sie, und Molle rappelte sich langsam auf. Mit Empörung in den Augen begann sie, sich das Schmutzwasser aus dem Fell zu putzen.
»Frollein, ick hol Ihnen ’nen
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