Triumph des Himmels: Historischer Roman (German Edition)
dieser Idee. Sein größter Konkurrent, Standard Oil, war schon mit etlichen Zapfsäulen direkt am Bürgersteig vertreten. Mit der Ausrichtung der Rallye, so hatte ihm seine rührige Tochter empfohlen, würde er nun auch sein Produkt bekannt machen und neue Kunden gewinnen.
Vermutlich hatte sie recht, und mir hatte Tilmanns Mitteilsamkeit zu einem interessanten Artikel verholfen. Aber auch ein paar persönliche Anmerkungen hatte ich erhalten. Frank Tilmann war ein »Selfmademan« und hatte daher für energische Personen etwas übrig.
1880 war er, kaum zwanzig Jahre alt, aus einem Kaff in der Eifel nach Pennsylvania ausgewandert. Dort hatte er sich zunächst als Farmarbeiter durchgeschlagen, hatte dann ein Stückchen Land gekauft, um sein eigenes Gemüse anzubauen, und fünf Jahre später ein Ölfeld entdeckt, als er einen neuen Brunnen graben wollte. Danach wurde er in kürzester Zeit ein ziemlich reicher Mann. Ich seufzte unterdrückt. Solche Geschichten würden unsere Leserinnen lieben. Seine Frau hatte Frank Tilmann auf der Überfahrt nach Amerika kennengelernt, und seine Beschreibung der Auswanderer-Klasse in einem kleinen Dampfer verursachte mir jetzt noch Gänsehaut. Die junge Dame stammte aus Köln und war auf dem Weg zu ihrem Verlobten in New York gewesen. Die Erinnerung an diesen werten Herrn aber schien schon verblasst zu sein, denn als Tilmann, von Seekrankheit gewürgt, bei stürmischer See über der Reling hing, hatte sie sich seiner angenommen.
»Drei Tage hat sie getrocknetes Salzfleisch in mich hineingestopft, danach habe ich ihr meine Liebe erklärt. Hält noch heute. Sie ist durch alle noch so dreckigen Täler mit mir gezogen, hat meine Blasen an den Händen verbunden, meine gebrochene Nase gerichtet, meine Hosen geflickt und mir aus Lumpen warme Kleider genäht. Sie ist bei der Geburt unserer Tochter beinahe draufgegangen, und sie hat das Kind in einem zugigen Blockhaus großgezogen. Dafür darf sie heute so viel Samt und Seide und glitzernde Klunker tragen, wie sie will.«
Diese Bemerkung ließ mich allerdings vermuten, dass Mistress Tilmann es damit ein wenig übertrieb. Aber das würde ich nicht so deutlich schreiben. Die tapfere Pionierin jedoch würde die Leserherzen erfreuen.
Der Wagen von Tilmanns Chauffeur hielt neben meiner Rumpler, Geraldine stieg aus, verabschiedete sich äußerst herzlich von dem Fahrer, kam auf mich zu und klopfte auf die Tasche mit der Fotoausrüstung.
»Ich bin so weit. Machen wir uns auf, Champagner zu trinken.«
»Dann steig ein!«
Sie kletterte auf den Sitz hinter mir und verstaute ihr Gepäck.
Épernay, die nächste Station, lag im Herzen der Champagne, und die Teilnehmer der Rallye erwartete ein Besuch der Kellerei von Moët & Chandon. Dort gab es ein kleines Flugfeld, von dem uns ein Fahrer unseres Hotels abholen würde.
Wir rumpelten über das holprige Terrain, hoben ab und glitten dann langsam höher. Die Rumpler war ein Doppeldecker, der zwei Personen befördern konnte. Im Krieg waren die harten Männer selbstredend ohne Wetterschutz geflogen, Henning aber hatte einen Kabinenaufsatz montieren lassen, der den Piloten und seinen Begleiter vor der Zugluft und den Unbilden dessen schützte, was sich sonst noch so in der Luft bewegte. Früher war das Flugzeug von den Truppen als Aufklärer eingesetzt worden. Daher gab es noch immer einen Kameraschacht im Boden, von dem aus man Luftbilder machen konnte. Diesen wollte Geraldine nutzen und war dabei, ihre Kameraausrüstung darin zu installieren.
Unter uns schimmerte das Band der Marne, und an dem Fluss entlang zog sich die Straße, auf der sich die Teilnehmer der Rallye nun in Richtung Champagne bewegten. Es sah eigentlich ganz einfach aus, so wie sie dahinfuhren. Die Chaussee war breit genug, dass auch mal zwei Fahrzeuge nebeneinander Platz hatten. Einige der Fahrer hatten es offensichtlich eiliger als andere und überholten die langsameren. Kam es eigentlich darauf an, wer als Erster Épernay erreichte? Ich würde wohl noch mal die Bedingungen nachlesen müssen. Da gab es irgendwelche Prüfungen, die die Automobilisten bestehen mussten.
Geraldine hatte inzwischen ihre Kamera gerichtet und begann, mir von ihrer Fahrt mit Tilmanns Chauffeur zu berichten. Ich notierte mir im Geiste einige interessante Bemerkungen. Der gute Sam Taylor war ein begeisterter Autofahrer und hatte mit einigen Anekdoten aufzuwarten. In Amerika war das Autofahren schon viel verbreiteter als bei uns, die Größe des Landes machte
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