Triumph des Himmels: Historischer Roman (German Edition)
aber auch weite Überlandfahrten notwendig. Die verliefen aber offenbar nicht immer ohne Abenteuer. So hatte auch schon mal ein wütender Stier versucht, Mister Taylors Wagen auf die Hörner zu nehmen. Er war in einer Schneewehe stecken geblieben und erst nach Stunden von drei Indianern gerettet worden, ein Braunbär hatte versucht, sich als Beifahrer anzudienen, und eine Hängebrücke war, kurz nachdem er sie passiert hatte, hinter ihm in den Abgrund gestürzt. Bei den langen Fahrten war es oft auch notwendig zu übernachten – in der Wildnis schlug man am Straßenrand neben dem warmen Motor sein Zelt auf und genoss die Lagerfeuerromantik samt Ungeziefer und Schlangen.
Ich war froh, dass ich uns ein Hotelzimmer reserviert hatte.
»O je, das wird gleich ein Problem geben«, hörte ich Geraldine hinter mir ausrufen. »Da, schau mal!«
Sie hatte entdeckt, was mir ein Grinsen entlockte. Ein Schäfer war eben dabei, seine träge, wohl über hundert Tiere umfassende Herde von einem Feld zum anderen zu treiben. Über die Straße.
»Mach Bilder davon.«
Und schon näherten sich die ersten Wagen. Staub stieg auf, der erste blieb schleudernd stehen, der nachfolgende schaffte es nicht ganz. Er fuhr dem Vordermann in die Seite. Der Beifahrer flog über die Motorhaube in das wollweiße Gewimmel. Ich ging runter, um die Nummern zu erkennen. Seltsamerweise hatte das erste Auto keine, das zweite trug eine Sechsundsechzig. Vier empörte Männer standen jetzt auf der Straße, beschimpften sich gegenseitig – und vor allem den Schäfer – inmitten einer wogenden Schafmenge. Als der eine Fahrer ihm drohte, verbiss sich einer der Schäferhunde in sein Hinterteil, und ich bedauerte, die verbalen Ausfälle nicht hören zu können. Hinter den Kontrahenten hielt die Kolonne der folgenden Fahrzeuge. Ich überflog die Herde recht niedrig, die daraufhin unruhig wurde und den Wartenden entgegenlief. Drei weitere Hunde umkreisten sie hysterisch bellend. Oh, was für ein Chaos!
Es löste sich jedoch dann auf, als einige beherzte Männer die Schafe von der Fahrbahn scheuchten. Die Kolonne fuhr weiter, die beiden kollidierten Fahrzeuge blieben am Straßenrand stehen.
Die Strecke verlief sehr gerade, sanfte Hügel stiegen an, gelbe Stoppelfelder, grüne Weiden, hier und da ein kleines Wäldchen breiteten sich unter uns aus. Die Orte waren klein, oft gerade mal drei, vier Häuser. Der Himmel aber war klar, und nur einige Wölkchen warfen ihre Schatten auf das Land. Die Fahrzeuge unten zogen eine Staubfahne hinter sich her, die den Fahrern sicherlich nicht angenehm war. Geraldine las mir von der Karte die Landmarken vor. In dem Örtchen Montmirail gab es für die Teilnehmer einen Versorgungspunkt, an dem getankt werden konnte und auch Essen und Getränke ausgegeben wurden. Wir überlegten, ob wir landen sollten, um uns ebenfalls zu versorgen, aber dann entschlossen wir uns, ein Stückchen zurückzufliegen und uns die Nachzügler anzusehen.
Auf der Strecke entdeckten wir einen Wagen, an dem ein Reifen gewechselt wurde, ein anderer schien Probleme mit dem Kühlwasser zu haben, denn eine Dampfwolke hüllte ihn ein. Größere Probleme schien es nicht zu geben. Geraldine notierte die Nummern und nannte mir die Namen der Teilnehmer – ein Franzose und ein Österreicher. Als wir wieder über Montmirail ankamen, startete dort gerade der Wagen mit der Nummer sechsundvierzig – Beau und Chester, wie ich wusste. Ich wackelte mit den Flügeln, und beide winkten uns mit ihren Kappen zu. Einige Fahrzeuge hinter ihnen ging der schwarze Ford auf die Piste: MacAlan und Hans, die sich beide bisher meiner Aufmerksamkeit entzogen hatten. Inzwischen war meine Neugier doch schon heftiger geworden, und ich nahm mir vor, bei der nächsten Gelegenheit die beiden an ihrer Tin Lizzy abzufangen.
Unter uns bogen die führenden Fahrzeuge an dem Weiler Champaubert scharf nach links ab Richtung Épernay. Ich kreiste über der Abzweigung und wurde mit der Ansicht belohnt, wie die später folgenden drei Fahrzeuge stracks geradeaus fuhren. Sie würden spätestens in Châlons-sur-Marne merken, dass sie die Champagnerkellerei verpasst hatten.
Wir indes näherten uns dem Ziel der ersten Etappe. Die Sonne stand schon niedrig, als die Weinfelder in Sicht kamen. Ich suchte nach dem kleinen Flugfeld, ging nach unten und rollte vor dem ziemlich baufälligen Hangar aus. Ein mürrischer Mensch gestattete uns nach Geraldines wortgewandten Bitten, das Telefon zu benutzen, und wir
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