Triumph des Himmels: Historischer Roman (German Edition)
befinden?«
»Nein, nein, eigentlich nicht.« Ihre Hand legte sich auf seinen Arm, und sie blickte ihn mit seltsamer Eindringlichkeit an. »Wer sind Ihre ruhelosen Geister, Mister MacAlan?«, flüsterte sie. »Warum haben Sie sie aus dem Schlaf gerissen?«
Es war die seltsame Vertrautheit, die ihn umfing, die Geräusche des Zuges, die Stille in dem Waggon, das kleine gelbliche Licht der Notbeleuchtung an der Decke, das kaum reichte, ihr Mienenspiel zu erkennen. Doch es schimmerte in ihren großen, traurigen Augen, und, Gott, was vergab er sich denn, wenn er ihr die Wahrheit sagte?
»Die Geister der Toten und Verwundeten«, murmelte er, und auf ihren bloßen Armen erschien eine Gänsehaut.
»Soldat?«
Er lehnte sich an das Fenster und sah zu ihr hinab.
»Ihre trüben Gedanken?«
»Galten dem Mann, der mich betrogen und verlassen hat.« Sie seufzte. »Mein Bruder glaubt, dass Reisen die Wunden heilt.«
»Abstand gewinnen kann helfen, aber Geister und Gedanken können sich beharrlich anklammern.«
»Verscheuchen Sie sie, Mister«, sagte Doro und stand auf. Nahe war sie ihm, und ein leichter Duft von Vanille und Patchouli umgab sie. Ihre Brüste drückten sich an seinen Arm, und er zog sie an sich. Ihre Lippen waren warm und weich und vertrieben die Geister. Weckten jedoch andere, beinahe vergessene. Vorsichtig schob er sie ein Stückchen von sich.
»Verführerisch, Doro. Unendlich verführerisch. Aber in meinem Abteil schnarcht Hans und in deinem vermutlich dein Bruder.«
»Leider.« Sie schmiegte sich wieder an ihn, und er sehnte sich nach warmem weichem Fleisch, nach seidiger Haut und dunklen, lockenden Tiefen. Es war lange her …
»Nicht, Doro. Nicht jetzt und nicht hier. Aber wir werden uns wiedersehen. In Paris. Oder an jedem beliebigen Ort zwischen Paris und Berlin.«
Ihr Kopf zuckte hoch.
»Du nimmst an der Rallye teil?«
»Ja.«
»Wie wunderbar. Ja, wir werden uns wiedersehen.«
»… und darum gehen wir nun beide wieder in unsere Betten.«
»Und träumen …«
Sie küsste ihn noch einmal, wand sich dann geschickt aus seinen Armen und schob die Abteiltür auf.
Mac tat es bei seinem Abteil und legte sich wieder auf sein Bett. Die nächtliche Begegnung hatte tatsächlich die ruhelosen Geister gebannt. Er dachte an den duftenden Körper in seinem Arm und schlief darüber ein.
5. ZUKUNFTSPLÄNE
Ich fliege durch die Welt,
und wo mir was gefällt,
geb ich mit Hand und Mund
gern meinen Beifall kund.
Otto Antonius
G eraldine kam in mein Zimmer gestürmt und warf sich auf das Bett.
»Berte ist verrückt geworden.«
Ich sah von dem zerfledderten Hauswirtschaftsbuch auf, das ich nach Themen für die Frauenkolumne durchforstet hatte.
»Berte ist eine überaus vernünftige Frau. Wieso sollte sie plötzlich verrückt werden?«
»Sie hat unserem Chef die Kündigung auf den Tisch geschmettert, weil er sie nicht über diese blöde Rallye berichten lassen will.«
»Das ist nicht verrückt. Du weißt doch, was der Koch und – entschuldige – auch dein Vater ihr ständig für Schwierigkeiten machen.«
Das Haus, in dem ich seit fünf Jahren ein Zimmer bewohnte, gehörte Jürgen du Plessis und seiner Gattin Lioba. Es blieb nicht aus, dass ich die permanenten Sticheleien des Feuilletonisten gegen die Redakteurin des Frauenteils mit anhören musste. Ich hatte mir angewöhnt, dazu zu schweigen, um den Frieden zu wahren, aber oft kochte der Ärger in mir hoch. Ich hatte es Berte zu verdanken, dass ich die Stelle bei der Zeitschrift erhalten hatte.
»Ja, Papa hat wieder rumgegiftet. Aber was passiert mit uns, wenn sie die Zeitung verlässt?«
»Dann gibt es entweder keine Berichte mehr über die neueste Mode, die Frauenbildung und die Haushaltsführung, oder es gibt eine neue Redakteurin. Bewirb dich doch, Gerry.«
»Um Himmels willen. Ich bin Fotografin, das Schreiben überlass ich anderen. Aber du …«
Einen Moment schwankte meine Loyalität Berte gegenüber. Es wäre eine Chance, endlich über die Fleckentferner und die Bügelhilfen hinauszukommen. Aber ich würde trotz allem in der Redaktion festsitzen und lediglich Korrespondentenberichte auswerten.
»Nein, ich habe keinen Ehrgeiz, ihre Stelle zu übernehmen. Nicht beim Bunten Blatt .«
»Wenn du es nicht machst, werden sie uns nach kurzer Zeit auch raussetzen. Und du kannst wieder als Zimmermädchen arbeiten.«
Das war allerdings auch eine ernüchternde Aussicht.
Ohne Berte würde es tatsächlich hart für mich werden. Oft genug hatte ich
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